Essen. In der packenden Kino-Koproduktion „Vineta” gibtMeine Lieblingsplatte heißt Discovery von Daft Punk. Die Electro-Pioniere schufen vor acht Jahren mit ihrem zweiten Album ein Meisterstück des Frenchhouse – inklusive des Kulthits „One more time“, der heute noch jede Party rockt. Peter Lohmeyer

Franziska Stünkel – wer, bitte, ist das? Es ist ein Name, den es sich zu merken lohnt. Wir werden ihn noch öfter lesen. Die 35-Jährige Regisseurin aus Göttingen machte ihren Job vortrefflich: Sie kitzelte in ihrem ersten Langfilm „Vineta” (Montag, ARD, 22.45 Uhr) aus ihrem Star Peter Lohmeyer eine Bestleistung heraus.

Nie wirkte der 47-jährige Bekenntnis-Ruhri so gehetzt wie in der packenden Kino-Koproduktion des Ersten, die im Frühjahr dieses Jahres ein Arthouse-Publikum begeisterte. Dass der großartige Streifen nur eine kleine, wenn auch feine Fan-Gemeinde fand, führte wohl auch zu dem mutlosen Entschluss, „Vineta” am späteren Abend zu verstecken.

Hochaktuelles Thema

Peter Lohmeyer spielt ein Solo in
Peter Lohmeyer spielt ein Solo in "Vineta". (c) Imago © imago stock&people

Dabei ist das Thema hochaktuell. Denn Peter Lohmeyer gibt einen gefeierten Architekten, der vor sich und der Welt in die Arbeit flieht. Er ist ein Workoholic, der seinen Job so dringend braucht wie ein Junkie seinen nächsten Schuss. Sebastian Färber, so heißt der Baumeister, ist krank.

Lohmeyer wirkt ausgemergelt wie das Leiden Christe, sein Blick flackert, sein Gesicht bedecken Schweißperlen, seine Arbeit mit zittrigen Händen gleicht einem Fiebertraum. Gleichwohl scheinen die Entwürfe des Architekten genial. Sein Markenzeichen ist Wasser, Quell des Lebens.

Starkes Ensemble plus Solo

Doch die rätselhafte Ostsee-Insel Vineta, wohin ihn ein geheimnisvoller Auftrag führt, erscheint winterweiß, vereist, erstarrt, ja tot. In einem Trupp bizarrer Gestalten gerät Färber bei seinem Auftrag, die ideale Stadt der Zukunft zu entwerfen, unter doppelten Druck: Die Zeit drängt, und ein Konkurrent (Sascha Göpel) drückt.

Obwohl Lohmeyer in einem starken Ensemble spielt, ist „Vineta” sein Film. An seiner Seite spielen verdiente Kollegen wie Matthias Brandt, Justus von Dohnányi und eben Sascha Göpel. Lohmeyers direkte Gegenspieler sind Ulrich Matthes, der als kontrollsüchtiger Wissenschaftler wie ein jüngerer Bruder von Keith Richards daherkommt, und Susanne Wolff als dessen Assistentin. Stünkel führte die Truppe so, dass Lohmeyers Licht noch heller strahlt.

Figur des perfektionistischen Genies

Natürlich braucht Stünkel die Assistentin, um eine scheue Mann-Frau-Geschichte anzubahnen. Sie braucht die Liebesgeschichte, um den Beziehungsnotstand ihres Helden zu offenbaren. Lohmeyers humanistischer Architekt erweist sich als Menschenfeind, der auf Wärme, Interesse und Zuneigung so bissig reagiert wie ein angeschossener Wolf.

Stünkel und Lohmeyer modellierten die Figur des perfektionistischen Genies derart liebevoll, dass sie den Mann mit deutlich herausgearbeiteten Macken ausstatteten. So isst Lohmeyer in dem Psycho-Drama nichts anderes als Walnüsse, die er so nervös gegeneinander schlägt, als er wolle Flamenco spielen..

Kurzum: Lohmeyers „Wunder von Bern” folgte das Wunder von Vineta. Mit einem Unterschied: Bern war sauberes Handwerk, Vineta ist Kunst.

"Vineta", ARD, Montag, 22.45 Uhr

Fotos © NDR/Marco Dresen/Jumping Horse Film