Essen. Eine feine, sehr leise Gesellschaftsstudie entfaltet Regisseur Lars Becker am Mittwoch in der ARD. In „Die Weisheit der Wolken” nähern sich zwei höchst unterschiedliche Menschen einander an.
Wenn Marie von Faber vor ihren Studenten über die Erderwärmung doziert, sinkt die Temperatur im Raum. Die Junior-Professorin ist zwar ebenso klug wie attraktiv, aber kühl, ach, so kühl. Wer ihr zu nah kommt, den hält sie auf Distanz, selbst ihren Freund, den Antiquar Max. Umso überraschender, dass ihr plötzlich der noch jüngere Tom hinterherläuft, augenscheinlich ein dreister Verehrer, ein charmanter Prolet, fast schon ein Stalker.
Tom schlägt sich durch, Marie ist wohlbehütet
Eine feine, sehr leise Gesellschaftsstudie, die Regisseur Lars Becker („Nachtschicht”, „Tatort”) hier vor den Augen der Zuschauer entfaltet. Und doch ist das Drama „Die Weisheit der Wolken” (ARD, 20.15 Uhr) mehr als das. Es beginnt nur als ein Aufeinandertreffen zweier Schichten, die offensichtlich wenig gemein haben.
Hier Marie (Ina Weisse), die ehrgeizige, kühle und wohlbehütete Tochter eines Uni-Dekans (Manfred Zapatka) und seiner biederen Frau (Gila von Weitershausen), denen man ihr Standesbewusstsein schon vom anderen Ende des Campus' her ansieht. Dort hingegen der forsche Tom (Tobias Schenke), der aus einer ganz einfachen Familie stammt, der Vater (Axel Prahl) ein kleiner Krauter, die Mutter (Ulrike Krumbiegel) eine Supermarktkassiererin. Dort wurde ihm gezeigt, dass man sich immer irgendwie durchschlagen muss. Und das tut er: als DJ, als Aushilfe im Plattenladen seiner Freundin Uli (Cosma Shiva Hagen).
Da er sogar sein Abi abgebrochen hat zugunsten seiner Lebenskünstler-Existenz, ist es umso erstaunlicher, dass er sich plötzlich für die ihm intellektuell und finanziell so überlegene, ein Stückchen ältere Frau interessiert - und sogar deren Freund Max (Sylvester Groth) belästigt.
Ein Traum von Wolken
Um nicht zu viel zu verraten: Die Lösung hat weder etwas Amouröses, noch liegt sie unter schnödem Mammon begraben. Vielmehr ist es ein Traum von Wolken, der die beiden vereint, auch über den Altersunterschied hinweg.
Und da eben dieser Unterschied eine größere Rolle spielt in der Geschichte, die von Drehbuchautor Martin Kluger stammt, kann man hier auch den einzigen größeren Kritikpunkt anbringen: Ina Weisse und Tobias Schenke sehen nicht so aus, als läge mehr als ein Jahrzehnt zwischen ihnen.
Die Selbstfindung zweier Menschen
Davon abgesehen erlebt der Zuschauer eine ganz ruhig erzählte Geschichte über das Erwachsenwerden und die Selbstfindung zweier Menschen, die zwar gesellschaftlich ihren Platz gefunden hatten, aber emotional im Niemandsland umherirrten. Sie werden sich dessen bewusst, wer und was im Leben wirklich wichtig für sie ist, in Bildern und Dialogen, die gefühlvoll und bisweilen melancholisch sind, aber nicht auf die Tränendrüse drücken. Dank des bereits erwähnten Starensembles der deutschen Fernsehunterhaltung finden sich selbst in den Nebenrollen starke, glaubwürdige Charaktere.