Heppenheim. Der sexuelle Missbrauch an der renommierten Odenwaldschule wurde schon in mehreren Dokumentarfilmen thematisiert. Nun dreht der WDR einen Spielfilm. Er soll voraussichtlich 2014 zur besten Zeit im Ersten zu sehen sein. Die Odenwaldschule in Heppenheim unterstützt das Filmprojekt.

Der WDR dreht einen Spielfilm über den sexuellen Missbrauch an der Odenwaldschule. "Die Auserwählten" mit Ulrich Tukur und Julia Jentsch in den Hauptrollen will die ARD voraussichtlich 2014 zur besten Sendezeit um 20.15 Uhr zeigen. "Der Film kann ein breites Publikum emotional erreichen", sagt die Leiterin der WDR-Programmgruppe Fernsehfilm und Kino, Barbara Buhl. "Er soll auch vor allem junge Leute ansprechen." Gedreht wird voraussichtlich noch bis 13. September.

Der Missbrauch von Schülern durch Lehrer des südhessischen Internats liegt Jahrzehnte zurück. Ausgegangen wird von mehr als 130 Opfern - und einer hohen Dunkelziffer. Die Taten ereigneten sich vor allem in den Jahren 1965 bis 1985. Erste Fälle waren Ende der 1990er Jahre bekanntgeworden, doch die Debatte verebbte wieder. 2010 kam der Missbrauch wieder hoch - und blieb Thema.

Die Odenwaldschule in Heppenheim unterstützt das Filmprojekt. "Wir stehen zu diesem Teil unserer Geschichte", sagt der Vorsitzende des Schulvereins, Gerhard Herbert. Er betont auch, die heutige Odenwaldschule sei eine ganz andere als die damalige. Gedreht wurde auch im Internat, allerdings nur in den Ferien, damit nicht gestört wird.

Einige Betroffene sind skeptisch

Tukur ("Rommel", "Stauffenberg") spielt einen Schulleiter, der Simon Pistorius heißt und sich des Missbrauchs schuldig macht. Jentsch ("Sophie Scholl - Die letzten Tage", "Effi Briest") spielt eine Biologielehrerin namens Petra Grust. Sie kommt Anfang der 1980er Jahre an die Schule und begreift, was sich abspielt - doch niemand glaubt ihr und dem missbrauchten Schüler Frank.

Dem Traumatisierten begegnet sie schließlich 30 Jahre später wieder. Jetzt ist es soweit: Frank will das jahrelange Schweigen der Lehrer, Eltern, Politiker und Institutionen nicht länger hinnehmen. Er plant eine Protestveranstaltung, und Petra Grust soll die Taten bezeugen.

"Für den Film haben wir uns auch mit Betroffenen und Betroffenen-Verbänden intensiv auseinandergesetzt", sagt Produzent Hans-Hinrich Koch. Auch mit dem Verein "Glasbrechen", der sich für Opfer der Odenwaldschule einsetzt. "Viele Betroffene sind froh, dass ein Sender den Mut hat, diese Vorfälle im Rahmen eines Spielfilms zu thematisieren." Es habe allerdings auch die skeptische Ansicht gegeben, dass ein Spielfilm zu dem Thema möglicherweise zu unterhaltend sein könnte.

Völlig ungeschönter Blick auf Lage der Betroffenen

"Unterhaltung ist jedoch kein Begriff, der auf den Inhalt dieses Projektes passt", sagt WDR-Redakteur Götz Schmedes. Der Film mute dem Zuschauer im Gegenteil einen völlig ungeschönten Blick auf die hilflose Lage der Betroffenen zu. Der WDR will nach Buhls Angaben die Möglichkeit anbieten, im Internet auf den Film zu reagieren. "Wir versuchen, die Wirkung emotional aufzufangen", sagt sie.

Der Verein "Glasbrechen" steht nach eigenen Angaben Berichten über solche sexuellen Übergriffe grundsätzlich positiv gegenüber. Es komme aber immer auf die Ausarbeitung an. Deshalb will sich der Verein den Film "Die Auserwählten" erst einmal ansehen, bevor er ihn bewertet. (dpa)