Essen/Olpe. Die Gosejohann-Brüder hatten sich mit ihrer neuen Show „Antisocial Network“ viel vorgenommen: Doch das Experiment ging schief. Es zeigte sich, dass ihnen offenbar der Sinn für den Wert von Geld abhanden gekommen ist, Social Media in der Show eigentlich nur eine untergeordnete Rolle spielt – und dass sie wohl ein Problem mit dem Sauerland haben.
Das hier hatte ProSieben noch vor der Sendung über Twitter rausgehauen: "Zum Ablachen. Simon Gosejohann kapert mit seinem Bruder einen Facebook-Account. Wir haben Spaß - und nennen das Antisocial Network. Gleich." Eine tolle Versprechung. Und dann das. Grundsätzlich klang das Konzept von „antisocial network und die Gosejohann Brothers“ (Montag, 22.15 Uhr, ProSieben) ja ganz charmant – was aber daraus wurde, ist es nicht.10.000 Euro hat Kandidat Philipp aus Olpe in der Show gewonnen. Um an das Geld zu kommen, musste der junge Mann Aufgaben erfüllen, die ihm der TV-Rabauke Simon Gosejohann und sein Bruder Thilo gestellt haben. Die Prüfungen sollten die „größte Herausforderung“ seines Lebens werden.
Da kann man nur lachen. Die Show verrät viel darüber, was es bedeutet, Geld zu haben – oder eben keins zu haben. In der Fernsehwelt mögen 10.000 Euro „Peanuts“ sein. Für den normalen Menschen ist es ein Haufen Kohle. Und wenn es für jede bestandene Prüfung 1000 Euro gibt, dann macht sich der Otto-Normal-Verdiener bereitwillig zum Affen. Zumindest sollte er das, wenn er vernünftig ist. Familie Gosejohann sieht das offenbar anders. Alles, was Philipp tun muss, ist immer ganz, ganz furchtbar. (Simon: „Hättest Du das gemacht?“, Thilo: „Natürlich nicht!“)
Alberne Kommentare und unlustige Penis-Witzchen
Sie schicken den Kandidaten zum Tanzkurs („Vortanzen – vor allen Leuten, welch Graus!“). Für 45 Minuten Rumgewackel bekommt Philipp sein Geld. Manch einer muss härter dafür arbeiten. Um den Spannungsbogen weiter zu spannen, tun die Produzenten einiges: alberne Kommentare aus dem Off („Der Hexenkessel tobt. Kommt Philipp lebend aus dem Stadion?“), Großaufnahmen und Zeitlupen vom Gesicht des Kandidaten („Die Angst steht Philipp ins Gesicht geschrieben“) und düstere Musik, die die Dramatik der jeweiligen Situation unterstreicht.
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Doch wo ist die Dramatik? Philipp muss nicht nur tanzen. Er singt auch bei einem Eishockeyspiel der Kölner Haie eine Düsseldorfer Hymne vor den Fans in der Halle, tritt als Akt-Modell auf (natürlich können sich die Moderatoren unlustige Penis-Witzchen nicht verkneifen), sieht sich in einer Olper Kneipe auf seinem Laptop bei voll aufgedrehter Lautstärke pubertäre Kotz- und Stöhn-Videos an, gesteht einem Mädchen bei einem Blind-Date seine Liebe und spielt drei Minuten Klavier vor Publikum. Alles ganz furchtbar. Besonders, wenn man bedenkt, dass jedes Mal ordentlich die Kasse klingelt.
Philipp kann man keinen Vorwurf machen. Der Kandidat kommt sehr sympathisch rüber. Verschmitzt lächelt er in die Kamera, er ist ein smarter Typ. Er spielt seine Rolle, und das macht er gut. Man freut sich mit ihm, dass er so viel Geld gewinnt. Er sagt, er will die 10.000 Euro für eine „geile Reise und eine fette Party“ ausgeben. Viel Spaß!
"Antisocial Network" - eine Show ohne Anspruch
Die Gosejohanns hingegen sollten ihre Gage besser auf die Seite legen. Wie es weiter geht mit der Show? Offen. Mögliche Kandidaten können sich bewerben (Mail an: casting@redseven.de). Der Show jedenfalls mangelt es an witzigen Ideen. Wer die 60 Minuten durchhalten will, muss hart in Nehmen sein. Um der Sache etwas Pep zu geben, hatte Simon Gosejohann eine tolle Idee: „Wir lassen Philipp 20 Meter nackig über die Kö flitzen“. Gut, dass sein Bruder ihn an dieser Stelle ausbremste: „Das ist so primitiv – wie immer in deinen Shows“. Die Reaktion: „Ja, muss da jetzt immer so ein intellektueller Überbau mit rein?“
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Nein, muss es nicht. Aber ein klein wenig Anspruch an die Qualität der eigenen Arbeit schadet auch nicht. Aber wem sagt man das? Gosejohann sagt selbst: „Sowas kann ich ja gar nicht.“
Er flippt ja schon aus, wenn er etwas nackte Haut sieht: Als Erotik-Sternchen Julie Diamond mit ihren Silikon-Brüsten durchs Bild stolziert, setzt bei ihm die Schnappatmung ein, und geschüttelt von Zuckungen hüpft er in seinem Stuhl auf und ab. Das ist peinlich. Glücklicherweise hat die Regie diese Szene in einen Split-Screen gesteckt, so dass einem der Anblick im Vollbild-Modus erspart bleibt.
ProSieben macht Olpe schlecht - und findet das witzig
Nicht erspart bleibt dem Zuschauer das ewige Olpe-Bashing. Der Sender haut drauf, wo er kann. Zum Beispiel bei Twitter: „antisocialNetwork. Philipp wohnt in der Weltstadt Olpe. Im Sauerland. Dort, wo die Mädchen noch wilder als die Kühe sind“, hieß es während der Sendung. Haha, lustig. Nach der Show verkündete ProSieben: „Was lernen wir bei antisocialNetwork? An der Autobahnabfahrt Olpe kräftig auf das Gaspedal treten. Schnell weg.“ Was soll denn das? Und als Twitter-Nutzer @Alexander_Korn später schrieb: „Ich wohne im Kreis Olpe!“, antwortete ProSieben mit – „Man kann nicht immer gewinnen.“
Und die Gosejohanns schlagen in die gleiche Kerbe. Bei Philipps Tanzstunde tritt ein Mädchen auf, angepriesen wird sie als Tanzpartnerin Kerstin, Maße: 90-60-90. Der Kommentar: „Sowas gibt’s in Olpes Discos ja gar nicht“. Und als Philipp schließlich bei seiner finalen Aufgabe in der Stadthalle von Olpe Klavier spielt, staunt Simon Gosejohann: „Stadthalle von Olpe – da hätte ich eher mit einer Garage gerechnet“.
Format hätte sich den Social-Media-Anstrich sparen können
Der Zuschauer hätte wohl eher mit mehr „Social Media“ gerechnet. So will es schließlich der Titel: „antisocial network“. Das ganze Gehabe hätten sich die Macher aber getrost klemmen können.
Philipp musste den Gosejohanns seine Facebook-Zugangsdaten geben, und die Geschwister haben über seinen Account sein Treiben dokumentiert. Mehrwert für den Zuschauer ist dadurch keiner entstanden. Immer wieder wurden kurze Clips von Philipps Facebook-Freunden eingespielt. Natürlich waren sie immer total erstaunt und schockiert über das, was ihr Kumpel da postet. (Und sie haben sich gar nicht gewundert, dass sie ein Kamerateam beim Internet-Surfen filmt.) Die Authentizität blieb dabei völlig auf der Strecke. Das Format hätte auch ohne den Social-Media-Anstrich (nicht besser) funktioniert.
Was bleibt? Es gab nur eine Werbepause. Das war ganz gut. Nächste Woche Montag kommt übrigens „Schulz in the Box“. Da wird ein Comedian in einer Kiste an einen Ort gebracht, wo er dann 24 Stunden ausharren muss. Soll lustig sein, sagen die Macher.