Luzern. Wenn aus Glaube religiöser Wahn wird, droht tödliche Gewalt. Die Ermittlungen führen Flückinger und Rischard in das Umfeld einer christlichen Sekte. Das Schweizer Fernsehen hat ein kompliziertes Thema spannend gestaltet - ein gelungener Auftakt für die “Tatort“-Reihe nach der Sommerpause.
Vierzehn Kerzen bläst Amina aus. Ohne Freude, mit einem Gesicht voller Traurigkeit und Angst. Kurz nach ihrer Geburtstagsfeier ist sie verschwunden. Erst nach Tagen wird die Leiche in einem Wald entdeckt: Schädelbruch, ein schwerer Stein als Tatwaffe. Vergewaltigt wurde das Mädchen nicht, sagen die Gerichtsmediziner. Aber: Amina war im dritten Monat schwanger.
Endlich ist die "Tatort"-Sommerpause vorüber, und es gibt es wieder frisches Blut statt Konserven. Den Saisonauftakt bestreitet an diesem Sonntag (20.15 Uhr) in der ARD das Schweizer Fernsehen SRF mit dem spannend inszenierten "Wer war es?"-Krimi "Geburtstagskind". Dabei haben es die Ermittler um Reto Flückiger (Stefan Gubser) und Liz Ritschard (Delia Mayer) im fünften "Tatort" aus Luzern keineswegs leicht: Ein Mädchenmord im Beziehungsgeflecht einer christlichen Sekte namens "Kreis der Gnade" sowie einer zerrütteten Familie.
Immer wieder stößt das Kommissar-Duo an eine unsichtbare Wand. "Wir vertrauen mehr auf die Gemeinde als auf die Polizei", bekommt es zu hören. Kein Wunder, dass man da auch mal ausrastet und ganz unschweizerisch laut wird. Der Berner Drehbuchautor Moritz Gerber und der Luzerner Regisseur Tobias Ineichen - längst ein "Tatort"-Routinier - lassen den Kommissar-Darstellern Raum, um das Persönlichkeitsprofil von Reto und Liz weiter zu vertiefen.
Kommissarin war selbst ein "Problemkind"
Das macht sie wiedererkennbar und stärkt die Zuschauerbindung. So erfahren wir diesmal über Liz, dass sie selbst ein "Problemkind" war. Auch sie hat sich einst nachts aus dem Haus geschlichen, genau wie das Mordopfer Amina. Deshalb kann sie sich gut in die Lage des Mädchens hineinversetzen, in die komplizierten Familienverhältnisse, unter denen Amina und ihre jüngere Schwester Julia litten.
Die Büros der Tatort-Kommissare
Eine der zentralen Figuren ist deren Stiefvater Beat Halter. Der Holzfachmann predigt als Sektenvorsteher die Erlösung aller streng Gläubigen durch Gottes Gnade - in seinem beängstigenden Fanatismus glaubwürdig dargestellt von dem Zürcher Schauspieler Oliver Bürgin. Halter hatte die Junkie-Mutter mit ihren Töchtern einst von der Straße geholt. Aminas leiblicher Vater Kaspar Vogt schien damals im Drogenrausch unterzugehen. Inzwischen ist er clean, will ein neues Leben beginnen und drängt seine Ex zur Trennung von Halter.
Gelegentlich ein wenig zu still
Hat Vogt die eigene Tochter erschlagen, weil sie ihm nicht folgen wollte? Oder ist nicht viel mehr Fabian der Mörder, ein Lehrling in Halters Sägewerk, der mit der Minderjährigen ein Verhältnis anfing und bald schon nichts mehr von ihr wissen wollte? Oder wurde sie etwa getötet, gerade weil sie abtreiben wollte? War es die Mutter?
An Dramatik gewinnt der Krimi, der nur gelegentlich ein wenig zu still und langgezogen wirkt, als Vogt (überzeugend gespielt von Markus Signer) seine jüngere Tochter entführt. Flückiger nimmt die Verfolgung auf, längst ahnend, wer der Mörder ist. Beim Showdown am Lagerfeuer mit gezückten Pistolen und - passend zur Jahreszeit - Schweizer Grillwurst bekommt der Kommissar den entscheidenden Hinweis von der kleinen Julia. Wenig später flucht Flückinger noch einmal kräftig auf den religiösen Fanatismus und befiehlt dann ruhig sowie mit einer Spur von Kommissar-Sarkasmus: "Abführen!". (dpa)