Essen. Christian Rach hat die Horror-Küchen der Republik gesehen - jetzt widmet sich der RTL-“Restauranttester“ dem, was in Otto-Normal-Haushalten auf den Tisch kommt. “Rach deckt auf “ heißt die neue Doku-Reihe. Das Aufklären kommt dabei leider zu kurz. Stattdessen werden einmal mehr Menschen vorgeführt.

Nachdem sich Sternekoch Christian Rach bereits durch sämtliche Horror-Küchen der Republik gegessen und geschrubbt, Schul-Abbrechern Disziplin an Herd und Kochlöffel beigebracht hat, macht sich der von RTL ernannte Gourmet-Experte nun auf, um der Deutschen liebste Essgewohnheiten unter die Lupe zu nehmen. Die wohl überraschendste Erkenntnis des Abends: dass der Kölner TV-Sender anscheinend immer noch genug Menschen findet, die sich entweder freiwillig naiv anstellen oder wirklich Augen und Magen vor der Realität so lange haben verschließen können.

Also: „Rach deckt auf – was wird uns hier aufgetischt“. Der Hamburger Gastronom darf zum „Mission Impossible“-Titelsound Kalorienlügen amerikanischer Diät-Produkte entlarven - und in der ersten Folge zudem eine Fast-Food-süchtige Familie dazu bringen, eine Woche lang auf Döner, Burger und Co. zu verzichten. Es geschieht, was zu erwarten war: Die Familienmitglieder springen sich schon nach kurzer Zeit mit den ungeliebten Rohkosttellern fast an die Gurgel.

Eine Junk-Food-Familie auf Entziehungskur

Doch die Protagonisten können dem Zuschauer schon fast leid tun; fragt man sich doch unweigerlich, aus welcher Ecke Deutschlands RTL diese Frischkost-Allergiker wieder herausgekramt hat. Schade, denn um eine wirkliche Zuckerabhängigkeit in weiten Teilen der Bevölkerung nachzuweisen, hätte man hier wohl ein wenig auf die Trash-Bremse treten und eine normalere Familie nehmen müssen.

Familie Dahmen mag Fast-Food - und wurde von RTL-
Familie Dahmen mag Fast-Food - und wurde von RTL-"Restauranttester" Christian Rach auf Diät gesetzt. Eine Woche lang keinen Zucker, keine Burger, keine Pommes. Das blieb nicht ohne Entzugserscheinungen. © RTL/Stephan Gregorowius

So geht es in einem Teil der Sendung um die die einwöchigen Entzugskur von Familien Dahmen, im anderen jettet Fernseh-Gourmet Rach um den Globus, um dem Zuschauer böses Essen auszutreiben und gutes Essen einzuverleiben. Doch bevor der Zuschauer die kulinarischen Abfälle aus der Ferne präsentiert bekommt, verliert Vater Dahmen nach gerade mal acht Stunden Zuckerfreiheit die Nerven und wirft „das neue Leben in einer Woche“ über den Haufen, um in seine alten, fetten Gewohnheiten zurückzufallen.

Christian Rach als Undercover-Reporter

Die Zuckerindustrie hat ihn abhängig gemacht, spricht zumindest Rach aus dem Off und macht sich prompt auf den Weg, um als knallharter Reporter undercover eine vermeintliche Verschwörung der Lebensmittelindustrie aufzuzeigen. Bei einem Kongress der Lebensmittelwirtschaft will er wissen, wie eigentlich die empfohlenen Tagesdosen auf den Verpackungen und im Speziellen die Zuckerdosis zustande kommt. Dabei stellt sich heraus, dass diese nicht von Wissenschaftlern, sondern von eben jener Industrie „festgelegt“ wird. Es bleibt der wohl einzige erhellende Moment der gesamten Sendung.

Dass das RTL-Format ansonsten dem gängigen „Wir führen Menschen vor laufender Kamera vor“-Prinzip entspricht, zeigt der Lebensmittel-Zucker-Check auf der Straße, bei dem sich die meisten Befragten ähnlich intelligent anstellen wie die junge Frau, die dereinst beim RTL2-„Frauentausch“ behauptete, dass Fleischwurst viele Vitamine hat, Gemüse ungesund und der „Erdbeerkäse“ besonders nahrhaft ist.

Rach auf der Suche nach gesundem Fast-Food

Rach aber wäre nicht Rach, wenn er nur auf Deutschlands Straßen seine Essens-Weisheiten verkünden würde. Auf der Suche nach gesundem Fast-Food, ja das gibt es wirklich, muss Rach anscheinend nach London reisen. Für die Mittagspause gibt es hier, und anscheinend nur hier, glücklich machende Salate, Reis und Hühnchen, Suppe und Brokkoli „to go“. Dass eine der Lieblingsspeisen der Engländer nach wie vor „Fish and Chips“ ist, bleibt hingegen in dem Beitrag schlichtweg unerwähnt.

Aber zurück zum Hauptstrang der Sendung: böser Zucker. Auch wenn Christian Rach darauf hinweist, dass in fast jedem Lebensmittel die süße Versuchung enthalten ist, muss der begeisterte Zuschauer nun nicht sofort auf die Erdbeermarmelade am Frühstückstisch verzichten. Schließlich weiß auch Rach, sagt es aber erst recht spät: Die Menge macht's.

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Achtstöckiger Burger mit 19.000 Kilokalorien

Unglaubliche Mengen machen es auch auf Rachs Reise durch die fette Welt des Fast-Foods, bei der er schließlich im Ursprungsland der Burger, Pommes und Hähnchenschenkel landet. In Amerika. Dort landet der Restaurant-Tester schließlich in der Hölle eines jeden Kardiologen. Dass sich schon einmal jemand im Restaurant „Heart Attack“ in Las Vegas zu Tode gegessen hat, sieht der Besitzer John Basso als Auszeichnung, auch wenn die Tatsache an sich erschreckend sein mag. Obwohl der achtstöckige Burger mit 19.000 Kilokalorien, den der Geschäftsführer stolz präsentiert, so manch einem Zuschauer bestimmt ein sehnsuchtsvolles Seufzen entlockt hat.

Unterdessen hat Familie Dahmen das Experiment doch noch erfolgreich abgeschlossen und gelobt feierlich, nur noch gesunde Lebensmittel einzukaufen. Als Belohnung dürfe sie mit Rach und der Avantgarde der gesunden „Fast Food“ Konzepte, die der Koch kurzerhand in Hamburg gemeinsam garen und dünsten lässt, ein leckeres Abendmahl verzehren. „Jetzt“ gibt es auch in Deutschland gesundes Essen, verkündet Rach eine Minute vor Sendeschluss, als im Schnelldurchgang Essen-nach-Rezept-Lieferungen für den Hausbedarf in Köln, frische statt konservierte Reis-Pfannen und dem 18-Gerichte-Supermarkt in Berlin vorgestellt wurden.

Schade, ging ein Hauptteil der Sendezeit also für eine (hoffentlich) völlig unrepräsentative Junk-Food-Familie drauf, während die wirklich interessanten Ideen viel zu kurz kamen. Drei weitere Episoden von "Rach deckt auf" folgen noch. Christian Rach will darin über fettes Essen, schlechte Schulverpflegung und die große Bio-Lüge informieren, die Menschen aufklären für ein gesünderes Deutschland. Und vielleicht findet er am Ende wirklich noch etwas, was der Zuschauer so nicht bereits gewusst hat.