Essen. Karl der Große, heute bekannt als charismatischer Herrscher und genialer Stratege mit vielen Kanten. Ein Doku-Drama des WDR beleuchtet den deutschen Kaiser mal von einer anderen Seite. Im Fokus steht der Mensch Karl und die Hintergründe seines Tuns.

Zwei Brüder im Streit um des Vaters Reich, ein unerbittlicher Herrscher, der seine Armee in Kriegen mit den Langobarden und den Sachsen aufreibt. Aber auch ein König mit Visionen, der Reformen durchsetzt. Karl der Große gilt als Lichtgestalt – sowohl in der Geschichte der Deutschen als auch in der der Franzosen. Ein aufwendig produziertes Doku-Drama beschäftigt sich auch mit den Schattenseiten des Begründers des heutigen Europas. Der 90-Minüter läuft am Mittwoch, 1. Mai, ab 18.30 Uhr im Ersten. Eine knapp 80 Minuten längere Fassung gab es auf Arte.

„Die Zeit wird alle Spuren verwischen. Aber das werde ich zu verhindern wissen.“ Der Hofberichterstatter Einhard (Peter Matic) ist überzeugt, dass er das Werk seines geliebten Kaisers aufschreiben muss. Natürlich mit Bedacht, wie er seinem Gehilfen verrät. Denn besonders das Wesen des Herrschers will er auslassen. Und so passiert es, dass die bekannteste Biografie des Herrschers „Vita Karoli Magni“ schwammig bleibt – das weiß die Wissenschaft nun. An diesem Punkt setzt das Doku-Drama mit einem brachialen Einstieg an: Karl und Karlmann, die Söhne Pippins des Jüngeren, liefern sich in einem Heereslager einen Showkampf – Karl unterliegt, sein Ego ist gekränkt, verrät der Erzähler.

Der Große wird menschlich

Die TV-Doppelstunde Geschichte bemüht sich, genau dieses menschliche Bild abseits des großen Reformators zu zeichnen: Karl der Große nicht nur als Stratege und guter Mensch, sondern auch als Egozentriker und Machtbesessener. Um das dem Laien möglichst schmackhaft zu machen, treffen die Forschungsergebnisse auf eine dramatische Geschichte, um Lust, Grausamkeit und die Gier nach Macht in Originalkostümen und auf Originalschauplätzen.

Der 1,95 Meter große Alexander Wüst (40) ist schon allein optisch eine gute Wahl für den charismatischen Herrscher, der seinen Beinamen „der Große“ auch wegen seiner stattlichen Körpergröße trug. Die Geschichte konzentriert sich auf wesentliche Punkte: Die Unterwerfung Aquitaniens und der Gascogne, der Krieg gegen die Langobarden und Sachsen, der gescheiterte Kriegszug in Spanien und die Ernennung zum Kaiser.

Spielfilm und Dokumentation halten sich die Waage

Nur wenige Nebencharaktere finden einen Platz. Wissenschaftler mehrerer Disziplinen und ein Erzähler versuchen im Wechsel Hintergründe und Zusammenhänge zu beleuchten. Sie blicken auch oft auf den Charakter eines Königs, der rechnerisch während seiner Herrschaft einmal rund um den Globus geritten ist, um seine Macht zu festigen.

Gabriele Wengler, die bei mehreren Terra-X-Dokus Regie geführt hat, verfilmt zum 1200. Todestag die Biografie Karl des Großen aus dieser veränderten Sicht und meistert damit ein gefährliches Gebiet. Doku-Dramen können mühsam sein, wenn das Verhältnis zwischen Spielfilm und Dokumentation nicht stimmt – wenn die Experten zu viel und die Charaktere zu wenig Raum haben, um sich zu entfalten. Doch Wengler hat ein feines Gespür, wann es nötig ist, die Lichtgestalt Karl der Große in den Schatten zu stellen, um die Hintergründe seines Tuns auszuleuchten.