Essen. Sollen Straftäter nach der Haft weiter weggesperrt werden? Dieser Frage widmete sich die ARD-Dokumentation „Knast auf ewig?“. Sie stellt die Menschenrechte des Täters dem Sicherheitsinteresse der Öffentlichkeit gegenüber. Eine Antwort kann auch der Film nicht finden.

Darf ein Rechtsstaat einen Täter wegsperren, weil man denkt, er könnte wieder ein Verbrechen begehen? Die Diskussion um die Sicherungsverwahrung hält weiter an. Die ARD-Dokumentation „Knast auf ewig? Der Streit um die Sicherungsverwahrung“ von Ulli Wendelmann beleuchtet sie, kann aber auch nicht die zentrale Frage beantworten.

Bei der Frage der Sicherungsverwahrung stehen sich zwei entscheidende Faktoren gegenüber: Das Menschenrecht des einzelnen Täter und das Interesse der Öffentlichkeit an Sicherheit. Welcher wiegt schwerer? Eine Frage, die sich nur schwer beantworten lässt.

„Ohne Therapie braucht man mich nicht mehr rauslassen.“

Justizvollzugsanstalt Werl, Haus 2: 45 Sicherungsverwahrte sind dort untergebracht. Darunter Christian Fuchs, 45 Jahre alt, verurteilt wegen Körperverletzung und Vergewaltigung, seit 2007 in Sicherungsverwahrung. „Weil ein Gericht entschieden hat, dass ich gefährlich bin“, erklärt Fuchs. Was Fuchs will? Eine Therapie – „Ohne Therapie braucht man mich nicht mehr rauslassen“.

Es ist eine der zentralen Thesen der Dokumentation: In deutschen Justizvollzugsanstalten braucht es mehr Therapiemöglichkeiten. 70 Millionen werden in den Umbau der JVA Werl gesteckt, um dort eine zentrale Unterbringung für Sicherungsverwahrte zu schaffen. Ob anschließend noch Geld für Therapien bleibt?

Banküberfall mit Spielzeugpistole – Rainer S. ist nun in Sicherungsverwahrung

Die JVA Werl muss umgebaut werden, weil sowohl Europäischer Gerichtshof als auch Bundesverfassungsgericht bisheriger Regelungen moniert haben. Unter anderem muss sich die Haft deutlich von der Sicherungsverwahrung unterscheiden – zum Beispiel durch größere Zellen.

Die Sicherungsverwahrten dürfen sich selbst verpflegen, ihre Zellentüren sind tagsüber geöffnet. Rainer S. ist 57 Jahre alt, ein ehemaliger Heroinabhängiger. Um sich die Drogen zu besorgen, hat er Banken überfallen – mit Spielzeugpistolen und ungeladenen Gaswaffen. Nun sitzt er in Werl in Sicherungsverwahrung. „Man ist ausgeliefert“, sagt er. Die meisten Sicherungsverwahrten seien, wie Rainer S., keine Sexual- oder Gewaltstraftäter, sagt Strafverteidiger Sebastian Schorner.

Sicherungsverwahrung ist eine „Beruhigungspille für die Öffentlichkeit“

Darf eine Gesellschaft also Menschen auf unbestimmte Zeit einsperren aufgrund der Vermutung, sie könnten gefährlich sein? Von allen Seiten, Opferverbände, Juristen, Therapeuten, wird die Frage beleuchtet und kann dennoch nicht beantwortet werden. Vielleicht wäre man der Antwort näher gekommen, hätten die Autoren ein unmittelbares Verbrechensopfer befragt.

So meint etwa der Kriminologe Peter-Alexis Albrecht, Sicherungsverwahrung sei eine „Beruhigungspille für die Öffentlichkeit“, während die Demonstranten im kleinen Dörfchen Insel in Sachsen-Anhalt vor dem Haus zweier Sexualstraftäter stehen und lauthals deren Wegzug fordern. „Das wären nicht die ersten, die rückfällig werden. Die will hier keiner haben“, sagt eine Frau in die Kamera.

Über 60 Prozent der Gutachten seien Fehleinschätzungen

Wer bestimmt, ob ein Mensch gefährlich ist? Es sind Richter und Gutachter. Und auch deren Arbeit wird kritisch gesehen. Über 60 Prozent der Gutachten seien Fehleinschätzungen. „Wir sind nicht in der Lage, zu sagen, ob jemand rückfällig wird“, meint Kriminologe Jörg Kinzig.

Warum steigt die Zahl der Sicherungsverwahrten während die Zahl der schweren Gewaltverbrechen sinkt? Auch die Antwort hierauf bleibt im Film wage. Die These, die Öffentlichkeit und damit Politik und Justiz seien durch verstärkte Berichterstattung sensibler geworden, scheint zu oberflächig.

Als Fazit bleibt: Sicherheitsverwahrte müssen therapiert werden – am besten nach der ersten Straftat. Wer nur wegsperrt, macht es sich zu einfach.