Essen. Schluss mit dem “Einsatz in vier Wänden“? Teilnehmer der Renovierungsshow mit Tine Wittler haben Post vom Finanzamt bekommen. Sie sollen für die in der Sendung erhaltenen (Sach-)Leistungen Einkommensteuer zahlen. RTL sieht deshalb das komplette Genre der Helfer-Dokus in Gefahr.

Eigentlich ist das doch so einfach bei den Helfer-Dokus im Privatfernsehen. Wer vom Schicksal gebeutelt ist, bekommt Besuch vom Experten nebst Kamerateam - und wenig später sind Finanzen oder Wohnung wieder aufgeräumt. "Einsatz in vier Wänden", "Zuhause im Glück" oder "Raus aus den Schulden" heißen die Sendungen, die als "Helptainment" Hilfe für die Teilnehmer mit Unterhaltung für die Zuschauer verbinden sollen. Doch jetzt droht den Teilnehmern nachträglicher Ärger - und dem Genre womöglich das Aus.

Teilnehmer der RTL-Renovierungs-Show "Einsatz in vier Wänden" mit Tine Wittler nämlich haben in den vergangenen Wochen Steuerbescheide erhalten. Das berichtete Mitte Januar der "Spiegel", und der Branchendienst "Werben und Verkaufen" legte wenig später nach: "Eine ganze Reihe weiterer Helptainment-Formate" sei "ins Visier der Steuerbehörden geraten", hieß es da. Die Finanzämter prüften "im großen Stil", ob Teilnehmer die in der Sendung erhaltenen (Sach-)Leistungen als geldwerten Vorteil versteuern müssten.

"Einsatz in vier Wänden"-Teilnehmer bekamen Steuerbescheide

"Uns ist die Problematik erst seit Kurzem bekannt", sagt RTL-Sprecherin Anke Eickmeyer und bestätigt im Gespräch mit der WAZ Mediengruppe, dass frühere Teilnehmer von "Einsatz in vier Wänden" Post vom Finanzamt bekommen haben. Momentan seien RTL und die verantwortliche Produktionsfirma MME im "engen Austausch" mit den Finanzbehörden und Steuerexperten.

Noch ist die Lage unklar, noch gibt es keine Rechtsprechung dazu, inwieweit Sachleistungen und Lebenshilfe als steuerpflichtige Einkünfte zählen könnten. Formate wie "Einsatz in vier Wänden" gibt es viele, nicht nur bei RTL muss man fürchten, dass weitere Sendungen betroffen sein könnten. Womöglich muss dann auch die Hilfe von Schuldnerberater Peter Zwegat oder von "Restauranttester" Christian Rach als geldwerter Vorteil bewertet werden.

RTL hofft auf Einigung mit den Steuerbehörden

Auch bei UFA Entertainment, die die Renovierungs-Doku "Zuhause im Glück" für RTL2 produziert, hat man von den möglichen Forderungen gehört. Von Steuerbescheiden für Teilnehmer dieser Show ist dort jedoch noch nichts bekannt. Eine Steuerpflicht für die Leistungen hielte man für ungerecht: "Das sind Leute, denen dringend geholfen werden muss", sagt Simone Lenzen, Sprecherin der Produktionsfirma. "Es wäre schwierig, wenn die für das, was ihnen in der Sendung geschenkt wird, Steuern zahlen müssten."

Bei RTL setzt man auf die Verhandlungen mit den Behörden. "Wir hoffen", sagt Eickmeyer, "da noch eine Lösung zu finden." Ansonsten malt man bei RTL ziemlich düster: "Die Zukunft des Genres ist unter diesen Vorzeichen komplett infrage gestellt."

Wann Show-Teilnehmer Gewinne versteuern müssen - und wann nicht 

Hintergrund der aktuellen Fragestellung ist ein Urteil vom vergangenen April: Da entschied der Bundesfinanzhof (BFH) höchstinstanzlich, dass der "Big Brother"-Gewinner von 2005, Sascha Sirtl, sein Preisgeld von einer Million Euro versteuern musste. Denn, so sah es der BFH, der Gewinn der TV-Show sei als "Gegenleistung für sein (aktives wie passives) Verhalten während seines Aufenthaltes im 'Big-Brother-Haus' zu beurteilen" gewesen.

Ein ähnliches Urteil hatte der Bundesfinanzhof bereits Ende 2007 gefällt: Damals ging es um 250.000 Euro Preisgeld für die Kandidatin der Sat.1-Produktion "Mein großer, dicker, peinlicher Verlobter". Sie hatte ihrer nichtsahnenden Familie erfolgreich vorgegaukelt, einen Mann heiraten zu wollen, der sich (absichtlich) danebenbenahm. Die Finanzrichter fanden: Das Preisgeld am Ende stand in einem "Leistungsverhältnis" mit dem Auftritt in der Show - war also als Entlohnung zu werten.

Gewinne bei "Wer wird Millionär" sind steuerfrei

Bislang galt also: Wer in einer TV-Show auftritt, wiederholt über Wochen oder gar Monate, ein gewisses Verhaltensmuster erfüllt und am Ende mit einem Preisgeld entlohnt wird, der muss dafür Einkommensteuer zahlen. Diese Kriterien lassen sich leicht auf Castingshows wie "Deutschland sucht den Superstar" oder "Germany's Next Topmodel" übertragen. Auch dort steht am Ende der Staffel ein Preisgeld, auch dieses müssen die Teilnehmer nach deutschem Recht versteuern. Bei DSDS schon allein deshalb, weil die 500.000 Euro für den Sieger eine Art Vorauszahlung für die Einkünfte aus dem Plattenvertrag sind.

Anders sieht es bei Gewinnen aus Quiz- beziehungsweise Spielshows wie "Wer wird Millionär" oder "Schlag den Raab" aus: Hier überwiegen Glücks- und Spielmoment, das Preisgeld muss nicht versteuert werden.

"Big Brother" ist Arbeit, die Million bei Günther Jauch Glück - und was ist nun mit den Leistungen, die Teilnehmer bei den Helfer-Dokus bekommen? Beim Finanzministerium in NRW will man weder dementieren noch bestätigen, dass Produktionsfirmen Post von den Finanzämtern bekommen haben, dass es konkrete Prüfungen gebe. Aber, soviel teilt ein Sprecher mit: Es werde derzeit "auf Bund-Länder-Ebene geprüft, ob aus dem Urteil zu 'Big Brother' Schlussfolgerungen zu ziehen sind, die auch auf andere Formate anwendbar sind".