Köln. Statt im alten Hinterhof einer Tapetenfabrik sollen Muslime in Köln bald in der größten Moschee Deutschlands beten können. Mit „Allah in Ehrenfeld“ dokumentierte die ARD am Dienstagabend angenehm unaufgeregt die Entstehung des Großbaus und ließ Befürworter ebenso zu Wort kommen wie Kritiker.
Es ist ruhig geworden um eines der umstrittensten Bauwerke in Deutschland: So hitzig die Debatten um ihren Bau geführt wurden, so stumm steht die halb fertige Zentralmoschee in Köln derzeit mitten in Ehrenfeld. Mit der Dokumentation „Allah in Ehrenfeld - Der Bau der Kölner Moschee“ hat sich die ARD auf Spurensuche der größten Moschee Deutschlands begeben.
Alles beginnt in einer alten Tapetenfabrik: Trist und grau wirkt der Hinterhof, in dem sich Kölns Muslime zum Gebet treffen. Mit dem Entschluss des Kölner Rats, den Bau einer neuen, großen Moschee zu genehmigen, wird dieser Ort bald Geschichte sein.
Zuschauer muss selbst entscheiden, wie er zum Moschee-Bau steht
Dort beginnt Autorin Birgit Schulz ihre Spurensuche. Während gut eingefangene Stimmungsbilder ein letztes Bild von der Hinterhof-Moschee zeichnen, erzählt die ARD-Journalistin von ihrer Idee zu der Dokumentation. Der Zuschauer ist auf diese Weise ganz nah dran am Entstehungsprozess des Films - eine interessante Komponente, die sich wie ein roter Faden durch die gesamte Dokumentation zieht.
Sei es die junge Muslima Afife Akdeniz, die sich die neue Moschee als weiteres begehrtes Fotomotiv neben dem Kölner Dom vorstellen kann oder der Ehrenfelder SPD-Bezirksbürgermeister Josef Wirges, der sich in seinen emotionalen Reden fast völlig verausgabt: Junge und Alte, Türken und Deutsche, Männer und Frauen kommen zu Wort. Dass dies größtenteils ohne eine Kommentierung und damit Bewertung auskommt, wirkt angenehm und lässt den Zuschauer selbst entscheiden, welche Position er zum Moschee-Bau hat.
Ralph Giordano sorgt sich angesichts des Moscheebaus
Die vielen kleinen Puzzleteile setzt Birgit Schulz gelungen zusammen: Wie viel Einfluss hat die türkische Regierung tatsächlich auf die Ditib, die als Dachverband der Muslime in Deutschland Bauherrin der Moschee ist? Wirkt sich das auf den Moschee-Bau aus? Wie gehen Muslime und Deutsche gleichermaßen mit dem plötzlich weithin sichtbaren Symbol muslimischen Glaubens mitten im katholischen Köln um?
Einer, der sich massiv daran stößt, nimmt kein Blatt vor den Mund: Der Schriftsteller Ralph Giordano sieht nicht die Moschee als Problem, sondern gleich den gesamten Islam. Seine Diskussion mit der Ditib-Pressesprecherin Ayshe Aydin zeigt die aufgestaute Angst der Moschee-Gegner: „Sehen Sie denn nicht, was Sie uns für Probleme in unser Land bringen?“
Spannung wäre in einem kürzeren Film greifbarer geworden
Deutsche, die um ihr Abendland fürchten; Radikale, die diese Angst ausnutzen; Muslime, die ein bauliches Zeichen ihrer Ankunft in ihrer neuen Heimat setzen wollen - der Film zeigt sie alle, fängt Szenen ein, die für Aufruhr sorgten. Neben dem ehemaligen CDU-Oberbürgermeisters Kölns, Fritz Schramma, dem Architekten Paul Böhm und dem immer wieder provokant auftretenden Giordano sind es die hitzigen Debatten zwischen besorgten Bürgern und zusehends angespannten Politikern, die dem Film seine Spannung geben.
Eine Spannung, die in komprimierterer Form als die sehr langen 90 Minuten noch greifbarer geworden wäre. Die bislang letzte Etappe des Moschee-Baus, die überraschende Entlassung des Architekten Paul Böhm, verliert sich in bautechnischen Details und endet allzu abrupt. Bis dahin liefert die Dokumentation einen umfassenden und angenehm unaufgeregten Überblick über die konfliktreiche Baugeschichte der größten deutschen Moschee. Es ist der Zuschauer selbst, der letztlich für sich entscheiden muss, wie ein solches Bauprojekt zu bewerten ist.