Essen. Ein Blick in die EM-Glaskugel. Was erwartet uns noch? Das ZDF-Fernsehstrand-EM-Studio auf Usedom wird bei der Viertelfinalpartie Deutschland gegen Griechenland geflutet - und Müller-Hohenstein und Kahn erhalten den Deutschen Fernsehpreis für hervorragenden TV-Journalismus. ARD und ZDF wollen deshalb auch ihre Talkshows künftig Open-Air senden. Vorsicht, Glosse.

Freitagabend, 20.15 Uhr. Da braut sich was zusammen. Dunkle Wolken im Scheinwerferlicht der deutsch-polnischen Medien-Metropole Usedom. Gerade erklärt Andrea Kiewel der kantigen Katja Müller-Hohenstein (KMH) bei der Vorberichterstattung für die Viertelfinalpartie Deutschland gegen Griechenland, wie viele Weight-Watchers-Punkte die Nationalspieler zu sich nehmen dürfen. „Also, ich sage ja immer: Erlaubt ist, was schmeckt. Hihi. Der kleine Philipp Lahm darf natürlich nicht so viel essen wie der kräftige Prinz Poldi“, weiß die pausbäckige Quoten-Kiwi.

Experte für alles, Oli Kahn, hat irgendwas daraufhin gesagt. War aber eh nicht wichtig, noch dazu wurde es nicht gesendet, weil die Windböen gerade die Tontechniker wegwehten. Mist, dieses Krisenszenario war nicht bedacht worden bei der strategischen Ortsbegehung durch den sonnensüchtigen ZDF-Intendanten. Nun sah man in Stummfilm-Optik, wie etliche Senioren in Tchibo-Partner-Regenjäckchen den ZDF-EM-Sommerstrand-Garten verließen, um in ihre muffigen Zwei-Sterne-Pensionen zu flüchten und dort einen Beruhigungstee zu schlucken. Längst war 100 Meter weiter nördlich ein Blitzschlag in eine mannshohe Tanne eingeschlagen, die wiederum in die Baracke der ZDF-Regie plumpste.

"Horror-Nacht von Usedom" bekommt Deutschen Fernsehpreis

Ernährungsexpertin Kiewel:
Ernährungsexpertin Kiewel: "Lahm darf nicht so viel essen wie Poldi." © AP | AP

Die 32,99 Millionen gebannten Zuschauer vor ihren LCD-HD-TV-DVBT-Mattscheiben sahen nur schwarz, erst zur 30. Minute gab’s Bilder vom Spiel, denn kurzerhand hatte das ZDF einen illegalen Live-Stream angezapft. Wie dem auch sei, die „Horror-Nacht von Usedom“ (Bild-Zeitung) war noch tagelang Gesprächsthema. KMH erntete schließlich im Spätherbst ihre Früchte. Gemeinsam mit Oliver Kahn gewinnt sie den 2. Platz „Herausragende Leistungen“ des Tourismusverbandes Mecklenburg-Vorpommern und den 1. Platz beim Deutschen Fernsehpreis. Begründung der Fernsehpreis-Jury: „Mit viel Sachverstand präsentierten Müller-Hohenstein und Kahn die EM 2012. Bei Wind und Wetter spielten sie sich gelungene, verbale Pässe zu. Jene Sendung, die wegen Gewitter und Starkregen abgeblasen werden musste, bot Sport-TV in einer nie dagewesenen Dramaturgie. So etwas können nur Open-Air-Live-Veranstaltungen. Innovativer und besser war das deutsche TV selten zuvor.“ 

Kuppel des "Jauch"-Gasometers wird aufgefahren

ZDF und ARD wollen bald noch mehr Live-Open-Air zeigen.
ZDF und ARD wollen bald noch mehr Live-Open-Air zeigen. © Unbekannt | Unbekannt

Der ZDF-Intendant jubelte und ließ sich so einen Hinweis nicht zwei Mal geben. Per Pressemitteilung gab er bekannt, dass künftig Maybrit Illner ihren Konferenztisch verwaist zurücklässt und aus quietschbunten Liegenstühlen am Spreeufer ihre Gäste empfangen wird. Auch die TV-Talkschiene der ARD werde reformiert, zitiert der „Spiegel“ aus einer internen Analyse des Programmbeirats.

Bei Günther Jauchs Talk sei vorgesorgt, dort könne man die Kuppel des Gasometers natürlich „auffahren lassen wie in der Schalke-Arena“. Frank Plasberg werde im Winter Spezialausgaben von "Hart aber fair" aus einer winterlichen Saunalandschaft präsentieren. Für Maischberger und Beckmann werde noch an Outdoor-Alternativen getüftelt. Auch die Sportschau werde fortan regelmäßig vom Hamburger Jungfernstieg gesendet, deutsche Hallenmeisterschaften würden aus dem Programm verbannt.

Ach ja, nebenbei bemerkt. EM-Sieger ist Griechenland geworden.