Essen. . Seit 25 Jahren hat „Der Landarzt“ seine Praxis geöffnet. Welches Leiden kuriert der ZDF-Mediziner so erfolgreich wie sonst kaum jemand im deutschen Fernsehen? Ein Special an diesem Dienstag gibt Antwort.

Fußball, überall nur Fußball. Zur Europameisterschaft gibt es in Tagen wie diesen kaum eine Alternative. An diesem Dienstag Abend ist es einzig das ZDF: "Landarzt" Wayne Carpendale tritt eine „Herzensreise“ (20.15 Uhr) an. Es ist der Auftakt zum 25-jährigen Jubiläum der Serie. Welches Wehwehchen der Zuschauer kuriert „Der Landarzt“ so gut wie sonst keiner?

Seien wir ehrlich: Mit Serien wie dieser sind keine Preise zu gewinnen. „Der Landarzt“ lebt nicht von dem, was sich ändert; er lebt von dem, was bleibt oder, genauer noch, von dem, was bleiben sollte.

TV-Guru Herbert Lichtenfeld (1927-2001) verordnet einem Publikum, das sich gut in Arzt-Praxen auskennt, seit Beginn der Serie schmerzfreie Heilbehandlung. Zudem lässt er den „Landarzt“ bewusst auf dem Dorf herumdoktern, im malerischen Ostsee-Hinterland bei Flensburg, zwischen dem wogenden Gelb der Rapsfelder und dem satten Grün der Gärten. Erstaunlicherweise dienen Windräder als höchst dekoratives Element, da mögen ihre Gegner noch so sehr die „Verspargelung der Landschaft“ beschwören. Die Serie hat schon vor Pilcher gepilchert; sie zeigt Postkarten-Idylle. Das Konzept ist so kraftvoll, dass drei Mal die Hauptdarsteller wechseln konnten, ohne dass die Quote kränkelte: von Christian Quadflieg über Walther Plate hin zu Wayne Carpendale.

Dörfler sind wie der Serien-Star: furchtbar nett

So nett wie der Serien-Star sind auch die übrigen Dörfler. Das wird dem Publikum selbst im Special klargemacht, als Bauer Jens Halling (Thomas Balou Martin) beim Arzt mit dem Fahrrad vorfährt. „Das brauchen Sie doch nicht anschließen“, erfährt der kränkelnde Landmann, „bei uns ist doch noch nie was weggekommen.“ Natürlich kommt in dem 90-Minüter doch was weg. Aber wir wollen der Krimi-Nebenhandlung im schlichtesten Vorabendstil nicht vorgreifen. Schließlich geht es ja um eine „Herzensreise“.

Doc und seine Partnerin (Caroline Scholze) dürfen eine Reise antreten, weil der Junior (Niklas Tschernich) eine Quizfrage richtig beantwortete. Hans Werner (Regie) und Manfred Kosmann (Drehbuch) widerstanden der Versuchung nicht, ein schematisiertes Produkt wie den „Landarzt“ mit ähnlicher Massenware zu verquicken: dem „Traumschiff“. Dabei wird so unverhohlen wie selten im gebührenfinanzierten Fernsehen Werbung für einen deutschen Ostsee-Kreuzfahrer gemacht.

Ein einziger magischer Moment: die Zauber-Szene

Derweil würde die Geschichte absaufen, wären da nicht die Episoden-Stars Meret Becker und Konstantin Wecker. Becker mimt eine deutsch-russische Varieté-Künstlerin mit kühlem, spielerischen Charme, Wecker einen Arzt, der nicht nur an gebrochenem Herzen laboriert. Er schmachtet sie an, und sie verzaubert ihn bei der Generalprobe, in doppeltem Sinne. In dieser einen kleinen, feinen Szene zeigt der Film Magie.

Ansonsten verzaubert die Serie nur diejenigen, die an Sehnsucht nach heiler Welt leiden. Und weil das Sehnen und die Sucht zusammengehören, schalten sie immer wieder aufs Neue ein, in der Hoffnung, dass alles beim Alten bleibt.