Essen. In der Dokumentation „Lincolns letzter Tag” werden die Schicksale des 16. US-Präsidenten und seines Attentäters erzählt.

Er kannte sich aus im Ford-Theater. Wusste, welche Fluchtwege es gab, wo sich die Logen befanden. Und John Wilkes Booth war geduldig. Als der Ehrengast an jenem Karfreitag im Jahre 1865 unbewacht war, setzte der arbeitslose Schauspieler seinen Plan in die Tat um. Mit der Pistole im Anschlag betrat er die Loge – und wurde zum ersten Präsidentenmörder der US-Geschichte.

Lincoln, der Präsident

Fritz Klein spielt Abraham Lincoln. Foto: NDR/ARTE
Fritz Klein spielt Abraham Lincoln. Foto: NDR/ARTE © © Vidicom

In „Lincolns letzter Tag” (21 Uhr, Arte) verwebt Autor Wilfried Hauke die Lebenswege zweier Männer. Den des Mörders John Wilkes Booth. Und den von Abraham Lincoln, der 1809 in ärmliche Verhältnisse geboren wurde, sich selbst das Lesen beibrachte, als Anwalt erste Erfolge feierte und schließlich Präsident der Vereinigten Staaten wurde. Seine Bürde: Den Zerfall der Nation mit einem blutigen Bürgerkrieg zu verhindern.

Wie kein anderer gilt Abraham Lincoln als Vorbild Barack Obamas, als Modernisierer, als Gegner der Sklaverei. Neu dürften viele der geschilderten Eckdaten des Werdegangs des 16. US-Präsidenten für Geschichtsfreunde nicht sein. Und auch die Tatsache, dass ein europäisches Filmteam erstmals Zutritt zur Washingtoner Sommerresidenz Lincolns erhielt, macht die beiden je 50 Minuten langen Teile, die Arte am Stück ausstrahlt, noch nicht zum Pflichttermin.

Booth, der Mörder

Anreiz ist vielmehr die hierzulande eher unbekannte Figur des John Wilkes Booth. Es ist die Geschichte eines Mörders, die parallel zum Leben (und Sterben) Lincolns erzählt wird. Booth galt einst als erfolgreicher Schauspieler, manch einer hielt ihn gar für den schönsten Mann der Theaterszene. Doch der 26-Jährige war auch fanatisch und desillusioniert. Er fürchtete um den Einfluss und den Reichtum des Südens durch die Befreiung der Sklaven.

Was selbst Lincoln nicht wusste: Immer wieder kreuzten sich die Wege der beiden Männer. Booth spielte 1863 eine seiner letzten Rollen im Washingtoner Ford-Theater. Unter den Zuschauern: Lincoln. Als die Attentatspläne reiften, lauerte Booth vor der Sommerresidenz des Präsidenten. Als Lincoln wiedergewählt wurde, gelang Fotograf Alexander Gardner ein – im Nachhinein – historisches Gruppenbild. Unter den Zuschauern: Booth und seine Mitverschwörer.

Das Attentat als Shakespeare-Drama

Wie ein Shakespeare-Drama plante der Attentäter den Mord. Das dafür nötige Publikum war am 14. April 1865 zweifelsohne vorhanden. Ausverkauft war das Ford-Theater, in dem Booth dem Mann nacheifern wollte, den er so oft gespielt hatte: Brutus, den Mörder Cäsars. Und so sprang er nach dem Schuss von der Loge auf die Bühne, soll dabei laut „so ergehe es allen Tyrannen” gerufen haben.

Doch die erhoffte Dankbarkeit – die stellte sich bei den Kriegsverlierern im Süden nicht ein. Lincoln erlag seinen Verletzungen, Booth flüchtete. Gehetzt, verwundet, die Welt nicht mehr verstehend. Seine Tat hatte die Nation eher geeint als sie weiter auseinanderzureißen.