Essen. . „The winner is…“ auf Sat.1 soll in erster Linie eine Gameshow sein. Aber die Talentsendung spielt nur mit dem Traum ihrer Kandidaten. Die würden alles geben, um entdeckt zu werden und groß raus zu kommen. Den Millionengewinn räumt am Ende nur einer ab. Den Verlieren bleiben drei Minuten Ruhm pro Auftritt.

Castingshows locken mit einem Versprechen: Du machst bei uns mit - und wir bringen dich groß raus. Gameshows geben ein anderes: Du gibst alles und wir machen dich reich. „The winner is…“, moderiert von Linda de Mol, versteht sich als eine Mischung aus beiden: als „Talent-Game-Show“.

Am Freitag strahlte Sat.1 die zweite von zunächst insgesamt acht „The Winner is“-Folgen aus, und was sich bereits bei Showstart am Mittwoch mit mäßigen Quoten abzeichnete, wurde in der zweiten Abendshow noch offensichtlicher: Der schnelle Geldgewinn spielt für die meisten der Kandidaten - wenn überhaupt - nur eine Nebenrolle. Nein, auch hier haben die Teilnehmer einen Traum: den Traum von der Bühne, von den Brettern, die die Welt bedeuten können, wenn man denn ein Publikum findet, das bereit ist, zuzuhören.

Bei „The Winner is“ ist die Stimme nicht mehr als Mittel zum Zweck

Immerhin: „The winner is“ gaukelt erst gar nicht vor, dass zum Finale ein Plattenvertrag und die steile Charts-Karriere winken. Ein Irrglaube, dem viele Teilnehmer anderer Castingshows noch immer anzuhängen scheinen. Wer in der Sat.1-Abendshow einen Sangeswettstreit nach dem anderen im K.o.-System für sich entscheidet, bekommt eine Million Euro. Wer vor einem Juryentscheid aussteigt, einen sogenannten „Deal“ macht, nimmt immerhin einen Trostpreis mit nach Hause. Die Stimme ist nicht mehr als Mittel zum Zweck, so zumindest will es das Konzept. Dennoch spielen die Sendung und ihre Moderatorin mit dem Berühmtheitstraum ihrer Kandidaten (von denen im Übrigen viele gescheiterte Ex-Teilnehmer anderer Talentformate sind).

Der „Game“-Charakter der Talentshow ist maximal vorgeschoben. Er soll Innovation im Fernsehformat „Sängercasting“ simulieren, an dem sich viele inzwischen satt gesehen haben. Exemplarisch dafür stand am Freitag das Show-Aus dreier Kandidaten in unterschiedlichen Kategorien, die alle nicht zocken wollten, sondern nur eins: weiter singen.

Die zwölfjährige Terry Joe weint bitterlich, als sie rausfliegt

Da ist die zwölfjährige Terry Joe. Sie tritt in der Kategorie „Kinder“ an. Dass Terry Joe singen kann, fiel, wie ihr Steckbrief verrät, bei einer Schulaufführung auf. Daraufhin meldete die Mutter sie bei einer Musicalschule an. Aus Terry Joe soll mal etwas werden. Das ist auch der Traum der blonden Schülerin, die von sich selbst im lupenreinen Casting-Sprech sagt, sie habe „Potenzial“. Tatsächlich bewegt sie sich auf der Bühne wie ein alter Showhase und kann ihrer schönen Kinderstimme bereits den Funken Soul verleihen, den die ausgewählte Alicia-Keys-Nummer so unbedingt braucht. Doch es reicht nicht für die Zwölfjährige. Im direkten Vergleich entscheidet sich die 101-köpfige Laienjury, angeführt von Musikproduzent Mousse T, für die ein Jahr ältere Jessica.

Terry Joe, die selbstbewusst auf ihr Talent vertraute und 5000 Euro Trostpreis-Summe ausschlug, in der Hoffnung, eine Runde weiter zu kommen, ist raus. Bitterlich weinend wird sie von der Mutter in die Arme genommen. „Das Leben geht weiter. Ich komme wieder“, sagt das Mädchen später. In spätestens vier Jahren ist sie alt genug für andere Castingformate. Man darf für sie hoffen, dass sie wenigstens bis dahin abseits von Talentwettbewerben eine halbwegs normale Restkindheit verlebt.

Peter hat Schulden, ein Faible für Schlager - und scheidet aus

In der Kategorie „40 plus“ geht Peter Bendel an den Start. Er trägt eine Kreuzkette, ein pinkes T-Shirt mit „Love“-Aufschrift und die Glitzergürtelschnalle zur Jeans. Der freischaffende Künstler hat ein Faible für Schlager und er hat Schulden, wie er zugibt. Trotzdem verzichtet er für seinen großen Bühnentraum ebenso wie Terry Joe auf 5000 Euro Ausstiegsprämie.

Es habe schon viele Kandidaten gegeben, die „zu stolz waren, das Geld zu nehmen“, meint Linda de Mol noch stichelnd. Doch Peter Bendel lässt sich nicht beeindrucken. Er vertraue auf seinen Bauch, sagt er – dabei ausblendend, dass der ihm in der Vergangenheit, wie seine Frau freimütig in die Sat.1-Kameras erzählt, schon viele Enttäuschungen einhandelte. „Ich glaube dran“, sagt er und meint sein Talent. „Summer of 69“ von Brian Adams singt der Schlager-Fan. Doch auch er scheidet aus der Sendung aus. Wäre da dieser große Traum nicht gewesen, er hätte die 5000 Euro wohl eingesteckt und wäre einen Teil der Schulden los.

Ex-“No Angel“ Lucy Diakovska überzeugt die Jury nicht

Lucy Diakovska kennen viele als ein Fünftel der „No Angels“. Die 36-Jährige, inzwischen mit veritabler Pumuckl-Frisur, tritt neben anderen heute unbeschäftigten Ex-Musikstars in der Kategorie „Professionals“ an. Sie weiß, wie es sich anfühlt, vor Tausenden auf der Bühne zu singen und dafür geliebt zu werden. Doch die Momente, in denen sie das Gefühl erleben durfte, sind eine Weile her. Geld hat sie nicht zu „The winner is“ gelockt, sagt sie. „Ich will die große Bühne für mich haben. Ich will mich zeigen“, erklärt sie Moderatorin de Mol und wirkt bei ihrer Performance redlich darum bemüht, zu beweisen, wie geschaffen sie ist für diesen Traum, der für kurze Zeit ihr Leben war. Ihr Sparring-Partner ist Dante Thomas, noch so ein vergessenes One-Hit-Wonder. Mit „Miss California“ landete er 2001 einen Nummer-eins-Hit. Auch seine Performance ist alles andere als souverän, doch er überzeugt die Jury mehr als Lucy.

Das war’s für die 36-Jährige. Schon wieder vorbei sind die raren Momente auf der großen Showbühne. Sie können anscheinend süchtig machen. Lucy stehen Tränen in den Augen, als ihr Vater sie im Backstage-Bereich in die Arme schließt. „Er war das erste Mal bei sowas“, erklärt die Sängerin und meint damit Castingshows. Sie selbst war bei „sowas“ bestimmt nicht zum letzten Mal.