Essen. . Der TV-Anwalt Ingo Lenßen feiert sein Comback. Dafür ist er von München ins Ruhrgebiet gezogen, wo die Menschen „sehr authentisch“ sind und die Fälle deshalb „erdiger“ sein können. Er ist sich sicher: „Die unglaublichsten Fälle schreibt das echte Leben.“

Schlimm ist das alles. Ganz schlimm. Deshalb muss Elke ja auch weinen, selbst hier im Büro des Anwalts, den sie aufgesucht hat. War doch alles so schön mit dem Achim. Ja gut, er ist 20 Jahre jünger. Aber trotzdem wollte er sie heiraten. Hat er doch immer wieder gesagt. Und nun ist er verschwunden. Seit zwei Wochen schon. Seit sie ihm die 20 000 Euro geliehen hat. „Da stimmt doch was nicht.“ Ingo Lenßen nickt. „Das sieht nicht gut aus.“

Aber zum Glück ist Lenßen ja wieder da. Ist ab Montag (18.30 Uhr), zurück im Vorabendprogramm von SAT.1, aus dem ihn der damalige Senderchef 2009 verbannt hatte. Weil die Zeit angeblich vorbei war für das, was Medienmenschen „Scripted Reality“ nennen. Für Sendungen also, die so tun, als würden sie eine reale Geschichte nacherzählen, obwohl alles erfunden ist. Mit Laiendarstellern und einem Drehbuch, das meist auf einen Bierdeckel passt. Aber mit Richtern, die wirklich Richter sind. Oder Anwälten, die tatsächlich praktizieren. Wie Lenßen.

„Lenßen – der Film“ war die Eintrittskarte für sein Comeback

Der gebürtige Krefelder, heißt es, habe sich damals über die Absetzung geärgert. So sehr geärgert, dass er aus der Serie einen Film gemacht hat. Auf eigene Kosten, auf eigene Verantwortung, mit der eigenen Frau als Drehbuchschreiberin. Vor allem aber mit Erfolg. Im Januar 2011 zeigt SAT.1 „Lenßen – der Film“ samstags am Vorabend. Es wird die erfolgreichste Sendung des Tages bei SAT.1. – und die Eintrittskarte für sein Comeback.

Jetzt sitzt er also wieder hinter seinem Schreibtisch. Gezwirbelt ist der markante Bart, maßgeschneidert der dunkle Anzug, aufmerksam der Blick. Trotzdem ist nicht alles beim Alten, wie bereits das große Foto an der Wand zeigt. Die Zeche Zollverein ist darauf zu sehen, und wer aus dem Fenster schaut, sieht den Essener Hauptbahnhof. Denn Lenßen ist von München ins Ruhrgebiet gezogen, wo die Menschen „sehr authentisch“ sind und die Fälle deshalb „erdiger“ sein können. Nicht immer nur Mord- und Totschlag, sondern auch mal die Kassiererin, der nach einem kleinen Diebstahl gekündigt wird. Oder eine wie Elke, der der Jurist in den nächsten Szenen mit ernster Mine verkünden muss: „Sie sind offensichtlich einem Heiratsschwindler aufgesessen.“ Schlimm, ganz schlimm.

„Bartträger des Jahres 2004“

Montags bis freitags ist Lenßen richtiger Anwalt am Bodensee, dazwischen TV-Jurist. Viel Fliegerei und wenig Schlaf bedeutet das. Der „Bartträger des Jahres 2004“ nickt. „Aber auch jede Menge Spaß. Ich liebe das Schauspielern vor der Kamera.“ Vier Fälle an drei Drehtagen muss er lösen. Für ausgefeilte Dialoge oder gewagte Kamerafahrten bleibt da kein Platz.

Lenßen kennt die Kritik über schlichte Darsteller und abwegige Stories. Doch er winkt ab. Das eine ist so gewollt, das andere Quatsch für den Strafverteidiger. „Die unglaublichsten Fälle schreibt das echte Leben“, sagt der ehemalige Eishockeyspieler und erzählt von einem Dieb, der sich extra eine Vorrichtung gebastelt hatte, um Opferstöcke in Kirchen auszuräumen. „Hätte uns im Fernsehen wieder keiner geglaubt.“

Keine Zeit

175 neue Folgen sind geplant. Ihre Lösung wird ihn nicht unbekannter machen. Was nicht nur von Vorteil ist. Ein echter Mandant aus dem Milieu hat ihm deshalb mal gekündigt. Andererseits steht das Telefon oft nicht still in der Kanzlei, der echten. Aber Lenßen hat ja keine Zeit. „An manchen Tagen leite ich 20 Anfragen weiter an Kollegen.“

Der nächste falsche Mandant wartet auch schon. Hat angeblich Geldnot und deshalb illegale Faustkämpfe in einem Fight-Club veranstaltet.

Auch schlimm. Irgendwie.