Essen.. Die Diskussion um die Kredit- und Medienaffäre des Bundespräsidenten reißt nicht ab. Die ARD macht Christian Wulffs Fehltritte gleich in mehreren Talkshows zum Thema. „Der Pattex-Präsident – was lehrt der Fall Wulff“ heißt die Sendung „Hart aber Fair“ am Montag. Der Titel ist bissiger als die handzahme Diskussion.
Christian Wulff hat Fehler gemacht. Er hat die Kreditvergabe durch die Unternehmergattin Edith Geerkens verschwiegen. Er hat Bild-Chefredakteur Kai Diekmann bedroht. Er hat ein Exklusivinterview mit ARD und ZDF geführt, bei dem neue Ungereimtheiten auftauchten. Das alles sind bekannte Fakten. Trotzdem führt Frank Plasberg in seiner Talk-Runde „Hart aber fair“ die Eckdaten der Wulff-Debatte immer wieder an, so, als hätte der Zuschauer den großen Medienknall immer noch nicht gehört. Plasberg, im Gegensatz zu anderen Talkshow-Gastgebern immer für provokante Fragen gut, sieht in seiner Sendung ziemlich blass aus. Zu vorhersehbar sind die Meinungen seiner Gäste.
CDU-Generalsekretär Hermann Gröhe verteidigt seinen Bundespräsidenten und ist davon überzeugt, dass Wulff eine „zweite Chance verdient.“ In vielen Situationen zeige sich, dass Wulff ein „guter und erfolgreicher Bundespräsident“ sei, bei den Vorwürfen gegen Wulff handele es sich um „Ungeschicktheiten, aber nicht um eine Staatskrise“. In diesem Urteil sind die meisten Diskussionsteilnehmer sich einig: Auch der ehemalige WDR-Intendant Fritz Pleitgen pflichtet Gröhe bei.
„Wir führen eine Phantom-Diskussion“
„Wir als Opposition haben uns im Fall Wulff sehr zurückgehalten“, meint Andrea Nahles. Keine konkrete Rücktrittsforderung, keine flammende Rede gegen einen unwürdigen Präsidenten. Trotzdem, Nahles setzt ein süffisantes Lächeln auf, wenn sie von Wulffs „unsauberem Verhältnis zur Wahrheit“ spricht. Man mag es der SPD-Generalsekretärin nicht glauben, wenn sie alle parteipolitische Interessen in der Causa Wulff abstreitet. Sie fordert Kanzlerin Angela Merkel auf, sich endlich einzuschalten, fragt, ob wir noch Vorbilder in Deutschland brauchen.
Pleitgen betont unermüdlich, dass Wulff nicht einfach abgesetzt werden kann. „Er ist durch die Wahl in der Bundesversammlung als Präsident legitimiert.“ Abgesehen von ein paar Schlagabtauschen mit Plasberg kann auch der Journalist kein Feuer in die langsam köchelnde Diskussion bringen. „Wir führen eine Phantom-Diskussion“ sagt Pleitgen am Ende der Sendung treffend.
Trotzdem ist das Thema Wulff noch lange nicht abgefrühstückt. Brigitte Büscher betont in ihrem Überblick über die Zuschauerreaktionen, dass etwa drei Mal mehr Zuschriften und Anrufe eingegangen sind als sonst. Büschers Fazit: Die Diskussion spaltet. Die einen befinden Wulff für nicht länger tragbar, die anderen sprechen von einer mediengemachten Hetze.
"Wulff verhält sich wie ein Dilettant"
Dass ausgerechnet die Boulevard-Zeitung „Bild“ als Lichtfigur der deutschen Pressefreiheit aus der Affäre um den Bundespräsidenten Wulff herausgeht, empfindet der renommierte Investigativ-Journalist Hans Leyendecker als den eigentlichen Skandal. „Das nehme ich Christian Wulff besonders übel, dass man da neben der Bild-Zeitung steht", sagt er nicht ohne Ironie. Eine Zeitung, die den Bundespräsidenten, den ersten Mann im Staat, vor sich her treibt – fast eine Realsatire. Leyendecker hält daran fest, dass Wulff sich „wie ein Dilettant“ verhalte.
„Wir erreichen die Phase des Fremdschämens“, meint der Journalist Hajo Schumacher. Ob er es für vertretbar hält, dass Wulff im Amt bleibt – am Ende der Sendung erfährt man es nicht.
„Hart aber Fair“ präsentiert am Ende der Sendung eine Umfrage von Infratest Dimap. 46 Prozent der Zuschauer wollen Wulff nicht mehr im Amt sehen - 46 Prozent geben ihm eine zweite Chance. Nach einer ungewöhnlich weichgespülten Sendung bleiben viele Fragen offen. Auch die, ob Maischberger, Will oder Illner das Thema Wulff noch einmal hochkochen lassen.