Düsseldorf. Die „Aktuelle Stunde“ des WDR verbucht das beste Jahr in der Geschichte der Nachrichten-Sendung. Sie läuft seit dem 3. Januar 1983. Im kommenden Jahr will der WDR seine “Erklärkompetenz“ stärken. Ein Interview mit der Chefin der NRW-Landesprogramme, Gabi Ludwig.

In NRW grassiert das Nachrichtenfieber. Der WDR fuhr mit seinen Nachrichtensendungen „Aktuelle Stunde“ und den „Lokalzeiten“ Bestwerte ein.

Welche Quote haben die Lokalzeiten und die AKS in diesem Jahr?

Gabi Ludwig: Mit 21,8 Prozent und 1,24 Mio. täglichen Zuschauern ist 2011 das bislang erfolgreichste Jahr für die Lokalzeiten (Montag bis Freitag/ Montag bis Samstag mit 20,9 Prozent ebenso). Der Spitzenwert (Marktanteil) lag bei 27,6 Prozent (= 1,54 Mio.).

Auch die AKS erzielt an den Tagen Montag bis Freitag das bislang beste Ergebnis mit 17,8 Prozent und 0,89 Mio. Zuschauern. Der Spitzenwert in 2011 lag bei 22,5 Prozent (=1,39 Mio.).

Quoten-Messung seit 1995

Welchen Zuspruch hat sie in der Zielgruppe U 50?

Nach wie vor gilt, dass AKS und Lokalzeit für das WDR Fernsehen gute Werte in der Altersgruppe 30 bis 49 erzielen (Lokalzeit: 10,6 Prozent/0,15 Mio. und AKS: 7,8 Prozent/ 0,09 Mio.)

Wie hat sich die Quote im Vergleich zum Start-Jahr verändert?

Die frühesten uns bekannten Daten stammen aus dem Jahr 1995. Damals erreichte die AKS einen Marktanteil von 10,3 Prozent in NRW und 460.000 Zuschauer durchschnittlich.

Die einheitliche Marke Lokalzeit gab es 1995 noch nicht, 1996 erreichte die Sendung im Schnitt 530.000 Zuschauer (11,0 Prozent Marktanteil). Die Zahlen sind allerdings nur bedingt mit den heutigen Werten vergleichbar, da es damals weniger Lokalzeitfenster gab.

Menschlich berührende Geschichten vorn

Welche Nachrichten interessieren laut Quotenmessung am meisten?

Besonders gut kommen natürlich die menschlich berührenden Geschichten an, aber nicht nur. Wir finden auch mit Politik und Wirtschaft Akzeptanz. Gerade diese Themen haben wir in den vergangenen Jahren deutlich verstärkt besonders ins landesweite Programm genommen. Die Zuschauer suchen bei uns alles, was aktuell und von Relevanz ist. Dazu gehört zum Beispiel auch die Euro-Krise. Wir merken, dass es einen neuen, großen Bedarf an hintergründiger, erklärender Information gibt, dem wir natürlich gerne nachkommen.

In der Lokalzeit kommen darüber hinaus besonders Themen und Menschen aus der jeweiligen Region an. Ein liebevoller Blick auf die Heimat verknüpft mit journalistischer Kompetenz – das ergibt das besondere Lokalzeit-Gefühl, das die Zuschauer so schätzen.

Wie balancieren Sie Massenattraktivität und Relevanz?

Unser Ziel ist, dass sich der Zuschauer der Aktuellen Stunde rundum informiert fühlt und dabei Orientierung bekommt in der Flut an Neuigkeiten, die einen ja aus allen Quellen – auch unterwegs – permanent erreicht. Darum ist es eine unserer Aufgaben, diese Nachrichten für den Zuschauer zu sortieren und einzuordnen.

Dabei konkurriert die Aktuelle Stunde mit RTL Aktuell und der heute-Sendung im ZDF. Wenn wir Marktführer in NRW sind, vor diesen beiden bundesweiten Nachrichtensendungen, dann gerade, weil wir unsere Aufgabe ernst nehmen: Deutlich machen, warum diese Nachricht wichtig, interessant oder berührend, also relevant für die Menschen in NRW ist. Wir bieten im Wettbewerb der Informations-Programme etwas Einmaliges: das Wichtigste aus und für NRW. Das Gefühl, am Abend so informiert zu sein, dass man überall mitreden kann. Diesen Anspruch wollen wir erfüllen, und deshalb schauen wir auch regelmäßig über NRW hinaus. Dass ist durchaus ein neuer Weg, den wir da gehen. Aber wir merken, wie wichtig unseren Zuschauern die Berichterstattung über große, weltweite Ereignisse ist; sei es die Katastrophe in Fukushima oder der demokratische Frühling in den arabischen Ländern. Wir berichten darüber konsequent aus der NRW-Sicht. Und das findet großen Anklang.

Dass es leicht verständlich und von unseren Moderatoren-Paaren auch unterhaltsam präsentiert wird, das ist typisch für die Aktuelle Stunde. Kurz und knapp kann man die Frage so beantworten: wenn sie gut vermittelt wird, ist auch Relevanz durchaus massenattraktiv.

Welche Veränderungen gab es in diesem Jahr in der AKS?

Die Redaktion hat neue Aufgaben bekommen, und dafür haben wir unsere Strukturen fit machen müssen. Unsere beiden Informationssendungen WDR Aktuell und Aktuelle Stunde stehen jetzt unter einer gemeinsamen Leitung und sind wesentlich enger miteinander verzahnt als früher. Das ist effizienter. Wenn wir neuerdings über Facebook mit unseren Zuschauern verbunden sind, Blogs anbieten oder Nachrichten in 100 Sekunden produzieren, dann gibt es dafür ja nicht mehr Personal oder mehr Geld – das schaffen wir nur mit einer schlanken Struktur. Die neue Redaktionsgruppe NRW Aktuell sendet wochentäglich fast 90 Minuten Programm, und die Aktuelle Stunde gibt es zusätzlich an jedem Wochenende, an jedem Feiertag, 365 Mal im Jahr. Und dabei haben wir von Sondersendungen WDR Extra noch gar nicht gesprochen. Für dieses Pensum brauchen Sie eine straffe Struktur.

Facebook lohnt

Und wir merken gerade, wie sehr es sich – auch journalistisch – lohnt, mit dem Zuschauer über Facebook direkt verbunden zu sein. Mein Lieblingsbeispiel für die Aufmerksamkeit unserer Zuschauer ist das Erdbeben am Niederrhein in diesem Herbst. Die Erde bebte kurz nach 21 Uhr. Die Redaktion konnte, als sie um 21.45 Uhr auf Sendung ging, noch vor jeder Agenturmeldung nicht nur die ersten eigenen Recherchen zu diesem Ereignis präsentieren, sondern schon zahlreiche Einträge unserer Zuschauer auf Facebook zitieren. Im Laufe der Nacht posteten viele hundert Zuschauer weitere Erlebnisse mit dem Erdbeben – ein Fundus, aus dem am nächsten Tag dann Geschichten entstanden sind.

In der Lokalzeit haben wir in diesem Jahr sehr viel Zeit und Kraft in eine Qualifizierungsoffensive gelegt. Wir haben mit den Redakteuren in unseren Studios in mehreren Workshops sehr intensiv über unsere Sendungs-Philosophie diskutiert, an der filmischen Aufarbeitung unserer Themen gefeilt und die Sendungs-Dramaturgie weiterentwickelt. Wir haben bereits begonnen, diesen Prozess auf unsere Autoren und unsere Kameraleute und Cutterinnen auszuweiten.

Was ist für das nächste Jahr geplant?

Ein Trend in allen wichtigen Informations-Sendungen ist es, noch besser zu erklären. Dem wollen wir uns stellen. Stichwort: Erklärkompetenz. Die Euro-Krise zeigt uns Tag für Tag, dass es kaum eine größere journalistische Herausforderung gibt als das Verständlichmachen komplexer Themen. Es ist eine Querschnittsaufgabe, die wir nur im Team lösen können, zum Beispiel mit kreativen Grafikern.

Welche Moderatoren kommen am besten beim Publikum an?

In der Aktuellen Stunde kommt am besten an, dass wir Paare haben, die sich wirklich mögen, die miteinander Spaß haben, sich gelegentlich auch mal „kabbeln“, so wie im richtigen Leben. Unsere Philosophie ist: weg vom stromlinienförmigen Moderator. Wir wollen Charaktere, und zwar durchaus unterschiedliche. Nehmen Sie das Paar Catherine Vogel – Thomas Heyer: Am Anfang gab es Kollegen, die sagten: 20 Jahre Altersunterschied, das geht doch nicht. Wir finden: Ganz im Gegenteil. Gerade in ihrer Unterschiedlichkeit repräsentieren unsere Moderatoren auch die Vielfalt der Zuschauer in unserem Land. Wir wollen alle erreichen.

Wie sieht die Position der AKS im Audience Flow aus?

In der Regel gelingt es der Aktuellen Stunde, die Zuschauerzahl während der Sendung mindestens zu verdoppeln und deutlich mehr als eine Million Zuschauer an die Lokalzeit zu übergeben, die dann noch einmal sehr viel stärker mit dem regionalen Blick auf das Tagesgeschehen in der jeweiligen Region eingehen kann.