Essen. Geschichtsstunde, Liebesgeschichte, verführerisch trauriges Menschenkino: "Mein Leben" von Marcel Reich-Ranicki wurde mit Matthias Schweighöfer in der Hauptrolle für das Fernsehen verfilmt. Wir verlosen fünf DVDs der Autobiographie-Verfilmung.

Einer bedrückendsten Sätze in Marcel Reich-Ranickis Autobiografie stammt nicht von ihm. Es ist seine Mutter Helene, die dem Jungen auf seinem Weg nach Berlin mitgibt: „Du reist in das Land der Kultur”.

Es ist ein wahrer Satz und zugleich wird die aufziehende politische Horde ihn unvorstellbar pervertieren. Marcel ist nicht lange in Deutschland, da wird er es als Land kennenlernen, das die Kunst der Verfolgung, die Kunst der Denunziation, die Kunst der Auslöschung beherrscht. Wo nur sind Goethe und Hölderlin im Reich der krakeelenden Propaganda?

Literatur als Lebensretter

Tosia (Katharina Schüttler) und Marcel (Matthias Schweighöfer) sind den deutschen Soldaten entkommen. © WDR/Thomas Kost
Tosia (Katharina Schüttler) und Marcel (Matthias Schweighöfer) sind den deutschen Soldaten entkommen. © WDR/Thomas Kost © © WDR/Thomas Kost

Es war am Ende des letzten Jahrtausends, dass ein deutscher Literaturkritiker seine Geschichte aufschrieb und mit ihr ein Millionenpublikum erreichte. Menschen – und längst nicht nur die, die über Jahrzehnte „MRR”s kluge und enorm kenntnisreiche Literaturansichten verfolgt hatten – lasen „Mein Leben”.

Und was für ein Leben das war. Ein Mann wird ohne Studium der führende Literaturkritiker der Bundesrepublik. Es ist auch zuvor die Literatur, die sein Leben, das ihn durch Ghetto, Holocaust und Geheimdienst geführt hat, mehr als einmal zu retten wusste. Ein Leben aus schrecklichen und glücklichen Zufällen, voll von jenen unglaublichen Episoden, wie sie eine unglaubliche Zeit hervorbrachte.

Ein Film, der nicht kalt lässt

Und dann, nach dem Krieg, steht der deutsche Jude Marcel Reich-Ranicki vor dem ehrwürdigen Bau der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung” und wird das untergegangene Land der Täter so leidenschaftlich wie kritisch für den Rest seines Lebens als Land der Kunst begreifen und begleiten.

Diese Szene in Frankfurt steht am Ende eines Films, der nicht kalt lässt. Natürlich kann er nur ein szenisches Surrogat jenes Lebensromans sein, der in seiner rückblickenden Reflexion über menschenverachtenden Systeme, über Literatur als Nahrung und Obdach, über den Mensch als des Menschen Wolf aufgewühlt hat. Doch haben Michael Gutmann (Buch) und Regisseur Dror Zahavi in eben dieser Konzentration das Wesentliche und das Wesen dieses Lebens erhalten.

Berührend und doch nie lautes Gefühlsgetöse

Matthias Schweighöfer als  Marcel Reich-Ranicki. © WDR/Thomas Kost
Matthias Schweighöfer als Marcel Reich-Ranicki. © WDR/Thomas Kost © © WDR/Thomas Kost

„Mein Leben” ist überaus genau in seinen mächtigen Bildern, seinen authentischen Schauplätzen und doch nie plakatives Ausstattungskino. Er ist berührend und doch nie lautes Gefühlsgetöse. Es gibt keine Szene, die ästhetischer Selbstzweck wäre. Es gibt kein Wort zuviel. Es ist ein entschieden erzähltes Stationendrama, dem Leben eines außergewöhnlichen Menschen nachempfunden, der doch nur erzählt hat, was tausende Namenlose nicht mehr haben sagen können.

Man muss kein Kenner der Literatur und der Nachkriegskarriere dieses Helden sein, um „Mein Leben” mit Gewinn zu sehen. Es ist Geschichtsstunde, Liebesgeschichte, verführerisch trauriges Menschenkino. Und es verfügt über große Schauspieler (etwa Joachim Król als Vater Reich und Sylvester Groth als polnischer Geheimdienstoffizier). Matthias Schweighöfer als Marcel ist übrigens viel schöner als das Vorbild und einen Sprachfehler hat er auch nicht. Dem greisen Kritiker, hört man, hat sein Spiel gefallen.

Auf Arte: Fr., 10.April, 21 Uhr. Im Ersten: Mittwoch, 15. April, 20.15 Uhr.

DVDs zu gewinnen

DerWesten verlost fünf DVDs des Films "Marcel Reich-Ranicki: Mein Leben". Wenn Sie eine der DVDs gewinnen möchten, senden Sie eine E-Mail mit dem Betreff "Marcel Reich-Ranicki: Mein Leben" an kultur@derwesten.de. Einsendeschluss ist Mittwoch, 15.04.2009, 18:00 Uhr. Der Rechtsweg ist ausgeschlossen. Viel Glück!

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