Essen. . MDR-Chef Udo Reiter geht vorzeitig - nach 20 Jahren. Er baute den Sender auf. Zuletzt aber überschatteten Ki.Ka-Affäre und der Kampf um die Boxrechte seine Amtszeit. Ein Gespräch.

Der scheidende MDR-Chef Udo Reiter äußerte sich im Gespräch mit Jürgen Overkott zu seinem Rückzug.

Sie haben, ausgerechnet zum Senderjubiläum, die TV-Branche mit Ihrem vorzeitigen Rückzug überrascht. Was hat Ihnen die Arbeit verleidet?

Udo Reiter: Das ist eine biografische Geschichte. Ich bin immerhin 67, ich mache den Job hier seit 20 Jahren, ich sitze seit 45 Jahren im Rollstuhl, das bleibt auch nicht ganz ohne Spuren. Man muss wissen, wann’s gut ist, und das Gefühl hatte ich jetzt.

Es gibt zwei Themen, die Ihnen den Spaß an der Arbeit sicher nicht erhöht haben, zum einen der bevorstehende K.o. der Box-Rechte

Reiter: …da gibt’s kein K.o.

Diskussion um Boxrechte

Wie wollen Sie die Diskussion um die Box-Rechte zu einem Ende bringen, das für den MDR gut ist?

Reiter: Wir sind im Gespräch mit den Gremien, die das Thema kritisch sehen, wir nehmen deren Bedenken ernst. Wir sehen zu, dass wir zu einer konsensualen Lösung kommen. Ich sehe das optimistisch.

In welche Richtung geht das?

Reiter: Das klären die Verantwortlichen, die mit (dem Boxstall) Sauerland reden, allen voran der Sport-Intendant (Ulrich Wilhelm vom Bayerischen Rundfunk).

Verhältnis von Leistung und Aufwand

Unterm Strich wird’s billiger.

Reiter: Man wird über das Verhältnis von Leistung und Aufwand noch einmal reden und dann zu einem Ergebnis kommen.

Der zweite Punkt, der einem Intendanten keinen Spaß machen kann, ist der bevorstehende Prozess um den Millionenbetrug beim Ki.Ka. Inwiefern hätten die Aufsichtsgremien des MDR anders reagieren müssen?

Reiter: Ich finde es sehr in Ordnung, dass es zu diesem Prozess kommt, dass es strafrechtliche Konsequenzen gibt. Das, was wir tun konnten, haben wir getan: die Sache gründlich aufklären und Maßnahmen ergreifen, dass so etwas zukünftig nicht mehr passiert. Damit ist die Sache für mich zunächst mal abgeschlossen. Wenn wir eine Manöverkritik machen, muss ich sagen: Wir waren nicht die Einzigen, die den Ki.Ka zu kontrollieren hatten. In der Zeit, als es zu den Betrügereien kam, haben sich zwei Landesrechnungshöfe mit dem Ki.Ka befasst, jedes Jahr waren Wirtschaftsprüfer dort, außerdem waren die Revisoren von ZDF und Hessischem Rundfunk dort. Niemand hat diesen Betrug entdeckt. Der Betrug ist fachmännisch und mit viel krimineller Energie gemacht worden. Im Nachhinein könnte man sagen: Der Ki.Ka hätte enger am MDR geführt werden müssen. Aber der Ki.Ka ist eine Gemeinschaftseinrichtung, an der die ARD und auch das ZDF beteiligt sind. Da hat sich – das muss man sagen – ein gewisses Eigenleben entwickelt. Das war ein Fehler, das wird es in Zukunft nicht mehr geben.

Abläufe strikter machen

Müssen die Gremien stärker sensibilisiert werden?

Reiter: Sie können nicht von einem Rundfunkrat, von einem Verwaltungsrat erwarten, Dinge herauszufinden, die nicht einmal eine Revision herausfindet. Man muss die Abläufe strikter machen und den ganzen Laden an der kürzeren Leine führen.

Kein Closed Shop mehr…

Reiter: Man wird Freiheiten, die sich dort aufgrund der besonderen Lage entwickelt haben, in Zukunft nicht mehr zulassen.

Stasi-Vorwürfe zu leicht genommen

Sie haben den MDR aufgebaut. Was steht auf Ihrer Haben-Seite, was würden Sie anders machen?

Reiter: Zur Haben-Seite gehört, dass der MDR in kurzer Zeit von den Menschen im Osten als ihr Sender empfunden wurde. Das war nicht selbstverständlich, er hätte auch das Image eines Besatzungsrundfunks bekommen können. Das Zweite war: Wir haben den MDR schuldenfrei aufgebaut, obwohl wir nur die Hälfte des Geldes hatten, die wir für den Aufbau gebraucht hätten. Wir sind an die Börse gegangen und haben trotz eines zwischenzeitlichen Verlustes von zwei Millionen Euro unterm Strich über 500 Millionen Gewinn gemacht.

Punkt zwei: Was würden Sie anders machen?

Reiter: Wir haben damals die Stasi-Vorwürfe gegen einzelne Mitarbeiter zu leicht genommen, das würden wir anders angehen. Wir hatten damals andere Sorgen, wir mussten in kürzester Zeit den Sender aus dem Boden stampfen. Wir waren froh über jeden, der gekommen ist, da haben wir keine biografischen Studien angestellt.

Sie hatten beim MDR einen Ost-West-Konflikt, so stark wie bei keinem anderen Sender. Wie haben Sie den Konflikt gemanaged?

Reiter: Das gemeinsame Ziel hat schwerer gewogen als die unterschiedlichen biografischen Hintergründe. Das Ziel hat die Leute sehr schnell vereinigt, es gibt schon seit Jahren ein gesamtdeutsches MDR-Bewusstsein.