Köln. . Hilfe oder zynische Selbstinszenierung? Helena Fürst erobert als Anwältin der Armen den RTL-Hauptabend. Früher hatte sie für Sat.1 angebliche Sozialhilfe-Betrüger gejagt.

Mittwoch ist Beratungstag. Damit punktet RTL seit Jahren beim Fernsehvolk. „Super Nanny“ Katharina Saalfrank und Schuldenberater Peter Zwegat erreichten gar Kult-Status. Jetzt rückt Helena Fürst als „Anwältin der Armen“ (RTL, 21.15 Uhr) in die Königsklasse der TV-Nothelfer auf. Doch sie ist nicht unumstritten.

Als Sozialfahnderin des Kreises Offenbach war die heutige Freiberuflerin unterwegs, um angebliche Sozialhilfe-Betrüger aufzuspüren. Sie wollte „gnadenlos gerecht“ sein – und Sat.1 begleitete sie dabei für das gleichnamige Format. Nicht bedacht hatten weder Fürst noch Sat.1 das Echo der Sendung. Die Betriebswirtin fühlte sich gemobbt, meldete sich krank, gab ihren Job auf und zog schließlich nach Berlin.

Die Seite gewechselt

Zugleich wechselte sie die Seiten – und den Sender. Sozialermittlerin, vertraute Fürst der „Frankfurter Rundschau“ an, wolle sie nie wieder sein. „Ich habe die Seiten komplett gewechselt. Es ist ein viel besseres Gefühl, den Menschen zu helfen.“ Für RTL mimt sie seit 2009 die „Anwältin der Armen“.

Zunächst präsentierte RTL seinen Sozialengel auf einem Sendeplatz, über den vorwiegend nichtberufstätige Zuschauer erreicht werden: in der Mittagssendung „Punkt zwölf“. Inzwischen ist Fürst derart populär geworden, dass sich RTL traut, sie im Abendprogramm zu zeigen.

"Echte Fälle, echte Schicksale, echte Hilfe"

Der Sender verspricht dem Publikum „echte Fälle, echte Schicksale, echte Hilfe“. Fürst setzt dabei auf Drama im Alltag – Tränen lügen nicht. Ihr erster Fall: Daniela S. (27) und Sascha S. (30) haben weder Geld noch Beruf, aber drei Kinder und ein Problem. Die mittlere ihrer drei Töchter hat einen so schweren Herzfehler, dass sie zügig operiert werden müsste. Nur: Kein Familienmitglied ist krankenversichert. Was den dramaturgischen Wert des Falls erhöht: Fürst muss „schnell handeln“.

Um überhaupt an Fälle aus der Welt der sozial Abgehängten zu kommen, schrieben Fürst und die Produktionsfirma Solis TV Hilfsorganisationen und Selbsthilfeverbände an, darunter den Wuppertaler Verein Tacheles.

Dringend abgeraten

Die Zusammenarbeit mit Interessenten, so hieß es, erfolge „selbstverständlich auf Basis eines Honorars“. Dennoch erlag Tacheles-Geschäftsführer Harald Thomé keineswegs dem Charme des Angebotes. Im Gegenteil: Die Doku-Soap „Gnadenlos gerecht“ habe „rechtswidrige Hausbesuche und Behördenermittlungen gegen Hartz IV Empfänger salonfähig gemacht. Dass sie jetzt als ,Anwältin der Armen’ auftritt, ist nur noch zynisch“. Mehr noch: „Von meiner und von Seiten Tacheles wird von einer Zusammenarbeit mit Frau Fürst dringend abgeraten.“ Sie wolle „wieder einmal auf dem Rücken der Armen Profit machen“.

Das Publikum trägt derlei Bedenken nicht. RTL verbucht eine „außergewöhnlich große Zahl an Zuschriften“. Bleibt die Frage: War Hartz eine Reform ohne Herz?