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Für Eltern, deren Kinder als vermisst gelten, wird das Leben zum Alptraum. In einem „Aktenzeichen XY“-Spezial berichteten Betroffene über ihr Schicksal. Zu Gast war auch die Mutter der jahrelang gefangen gehaltenen Natascha Kampusch.

Vier Jahre sind seit dem Verschwinden der lebenslustigen Lehramtsstudentin Tanja Gräff vergangen. Die Meldungen über die junge Frau, die das letzte Mal im Parkhaus der Fachhochschule Trier gesehen wurde, sind noch präsent. Nach dem Sommerfest auf dem Uni-Gelände verschwand sie spurlos. Ihre Eltern beten noch heute jeden Tag für sie. Die Verzweiflung, die Hilflosigkeit und die tiefe Trauer lassen nicht nach.

1700 Kinder gelten in Deutschland als vermisst. Ihnen widmete die Fahndungssendung „Aktenzeichen XY... ungelöst“ am Mittwochabend ein Spezial, das erste in der 44-jährigen Geschichte der Sendung. Ein schlimmeres Schicksal als die Ungewissheit über den Verbleib des eigenen Kindes gebe es nicht, erklärte Psychologe und Trauma-Experte Dr. Georg Pieper. Das Leben wird für die Eltern zum Alptraum.

Moderator Rudi Cerne beschäftigte sich in seiner 90-minütigen Sendung mit vier Fällen vermisster Kinder. Großeltern, Geschwister und Eltern der Opfer kamen zu Wort. Für sie alle stellte der Auftritt in „Aktenzeichen XY... ungelöst“ einen letzten verzweifelten Versuch dar, Gewissheit über das Schicksal der Vermissten zu erlangen.

Natascha Kampuschs Leben

...nach ihrer Befreiung gab sie dem Österreichischen Rundfunk...
...nach ihrer Befreiung gab sie dem Österreichischen Rundfunk... © ddp
...mehr als acht Jahre lang in einem wenige quadratmetergroßen Kellerraum gefangen. Hinter der schalldichten Tresortür...
...mehr als acht Jahre lang in einem wenige quadratmetergroßen Kellerraum gefangen. Hinter der schalldichten Tresortür... © AFP
...in ein Nachbarhaus. Dort fand sie die Polizei. Ihr Fall sorgte international für Aufsehen. Bereits zwei Wochen...
...in ein Nachbarhaus. Dort fand sie die Polizei. Ihr Fall sorgte international für Aufsehen. Bereits zwei Wochen... © AFP
...in Deutschland und Österreich sahen den ersten öffentlichen Auftritt der damals 18-Jährigen. Zwei Jahre später...
...in Deutschland und Österreich sahen den ersten öffentlichen Auftritt der damals 18-Jährigen. Zwei Jahre später... © AFP
...und von Wolfgang Priklopil bei Wien entführt. Ihr Peiniger hielt sie...
...und von Wolfgang Priklopil bei Wien entführt. Ihr Peiniger hielt sie... © AFP
...quälte Priklopil sein Opfer. In der ARD-Dokumentation berichtet sie, dass er sie hungern ließ, ihr das Weinen verbot, sie „gewürgt”, „geschlagen” und  „misshandelt” hat. Nur wenige Male durfte Natascha Kampusch ihr Verlies verlassen, so auch am 23. August 2006. An diesem Tag floh sie...
...quälte Priklopil sein Opfer. In der ARD-Dokumentation berichtet sie, dass er sie hungern ließ, ihr das Weinen verbot, sie „gewürgt”, „geschlagen” und „misshandelt” hat. Nur wenige Male durfte Natascha Kampusch ihr Verlies verlassen, so auch am 23. August 2006. An diesem Tag floh sie... © ddp
...ein Fernsehinterview. Über zehn Millionen Zuschauer...
...ein Fernsehinterview. Über zehn Millionen Zuschauer... © ddp
Drei Jahre nach der Befreiung des Entführeungsopfers Natascha Kampusch ist das Medieninteresse an ihrer Person ungebrochen groß. Ihre tragische Leidensgeschichte begann 1998. Damals wurde die Zehnjährige auf dem Weg zur Schule überfallen...
Drei Jahre nach der Befreiung des Entführeungsopfers Natascha Kampusch ist das Medieninteresse an ihrer Person ungebrochen groß. Ihre tragische Leidensgeschichte begann 1998. Damals wurde die Zehnjährige auf dem Weg zur Schule überfallen... © AFP
...moderierte sie die Talksendung
...moderierte sie die Talksendung "Natascha Kampusch trifft". © AFP
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„Geht es ihm gut? Hat er genug anzuziehen? Ist er satt?“

Dass nach jahrelangen vergeblichen Ermittlungen – wie etwa im Fall des seit 1993 vermissten Emin Önen – Hinweise von Fernsehzuschauern doch noch zu einer Verbrechensaufklärung beitragen können, mag man für unwahrscheinlich halten. Die Aufklärungsquote der Fahndungssendung liege aber bei 42 Prozent, so Cerne.

Es sind scheinbar banale Fragen, die sich die Mutter des zum Zeitpunkt seines Verschwindens zehnjährigen Emin Önen stellt. „Geht es ihm gut? Hat er genug anzuziehen? Ist er satt?“ Wenn sie aber von einer Frau kommen, die ihr Kind seit 18 Jahren nicht mehr gesehen hat, entwickeln sie eine Wucht, die zu Herzen geht.

Die Hoffnung nie aufgeben

Auch das Schicksal des kleinen Felix, der 2006 im Alter von zwei Jahren von seinem Vater entführt wurde und seitdem spurlos verschwunden ist, oder der Fall eines 15-jährigen Mädchens, das nach einer Feier nicht mehr nach Hause kam, bewegten die Zuschauer. Die vorgestellten Fälle riefen die Erinnerung an das schreckliche Schicksal des vor einigen Monaten tot aufgefundenen Mirco aus Grefrath wach. Ganz Deutschland bangte und trauerte mit seiner Familie.

Groß angekündigt hatte das ZDF den Auftritt von Brigitta Sirny. Die Geschichte ihrer Tochter Natascha Kampusch, die acht Jahre lang in einem Kellerverließ gefangen gehalten wurde, ist wohl der berüchtigste Vermisstenfall. Der jungen Frau gelang 2006 die Flucht. Ihre Mutter aber erzählt nicht viel, nicht länger als drei Minuten ist sie auf Sendung. Einen Ratschlag an die betroffenen Eltern könne sie nicht geben, sagt Sirny: Das Wichtigste sei, die Hoffnung nie aufzugeben.