Essen. . In der Wissensshow mit Bärbel Schäfer führte Valentin aus Herne lange vor den anderen Kandidaten. Letztlich scheiterte er aber an unfairen Regeln.
Das Schöne an der Ironie ist, dass sie bisweilen fein wie ein Florett und dann wieder grob wie eine Guillotine daherkommt. Triefend selbstironisch ist es, wenn RTL 2 in einer Quizshow „Deutschlands klügstes Kind“ sucht.
Der privateste aller Privatsender, der, wenn er gerade keine Frauen tauscht, selbst fast ausschließlich Kinder zeigt, deren Fähigkeit sich im Stammeln von Zwei-Wort-Sätzen erschöpfen – es sei denn sie beschimpfen gerade ihre Erzeuger. Mit einem Fernsehprogramm, das Menschen, die sich diesem dauerhaft aussetzten, unweigerlich abstumpft. Wer ein solches RTL 2 nach den süßesten Früchten im Garten der deutschen Bildung suchen zu lässt, könnte auch Marcel Reich-Ranicki in die Jury der „Topmodels“ setzen.
Wie viel hintersinniger zeigte sich da Justin (11), der einfach aus der Rolle fiel. Er weigerte sich schlicht, der weitverbreiteten Meinung zu folgen, nach der Menschen seines Namens (ähnlich wie Dustin, Kevin oder Marvin) eher in Fördermaßnahmen landen als auf dem Thron bei „Deutschlands klügste Kinder“. Vielleicht half es, dass er seinen Namen der edlen Herkunft („Justinus“) folgend klassisch aussprechen lässt, statt des ewig-englischen „Dschastinn“. In jedem Fall: Justin, kam, sah, bis sich vor Nervosität auf die Unterlippe – und siegte. Er darf sich nun „Deutschlands klügstes Kind“ nennen.
Bei Bärbel Schäfer ist immer noch alles „unglaublich“
Doch der Weg dahin war weit, wenn auch unterhaltsam. Natürlich: Bei RTL 2 ist alles bunt, laut und schnell und bei Moderatorin Bärbel Schäfer ist immer noch alles „unglaublich“. Doch davon abgesehen war es gute Abendunterhaltung, die der Privatsender da am Dienstagabend fast zweieinhalb Stunden bot. Das lag zum einen an einem flotten und abwechslungsreichen Fragensystem, das selbst Erwachsene grübeln ließ, zum anderen aber an den zehn- bis zwölfjährigen Kandidaten aus ganz Deutschland, von denen die meisten sympathische Schlauberger waren und nur wenige der Typ schnöseliger Streber, die man selbst in der Schule am liebsten über den Pausenhof schubste.
Die unter tausenden Bewerbern ausgewählten 24 Finalisten kämpften zunächst nach Geschlechtern getrennt, wobei die Jungen nach zwölf Fragen im Schnitt deutlich mehr Punkte als die Mädchen auf dem Konto hatten – gefühlt aber auch die leichteren Fragen: Dass Dagobert Duck, „die reichste Ente der Welt“ ist, wissen im Zweifelsfall eben mehr Kinder, als das der Pariser Eifelturm nicht zu den „Sieben Neuen Weltwundern“ zählt. Da flossen sogar ein paar Tränen der Enttäuschten.
Ein stumpfes Handyspiel entscheidet
So siebte Bärbel Schäfer fröhlich aus, leider offenbarten sich dabei einige entscheidende Schwächen im Showkonzept. Konnte die erste Runde nur überstehen, wer wirklich etwas auf dem Kasten hatte, kam es in der zweiten dann weniger auf Können als mehr auf das Glück an: Ein stumpfes Handyspiel legte die Reihenfolge fest, in der die Schüler sich ein Wissensgebiet aussuchen durften, aus dem Schäfer sie dann in je 45 Sekunden mit massig Fragen bombardierte. So konnten die einen in ihren Lieblingsbereichen „Geschichte“ oder „Tiere“ brillieren, die weniger Glücklichen mussten mit ratloser werdenden Gesichtern Fragen aus „Literatur und Sprache“ oder „Umwelt“ über sich einprasseln lassen.
Valentin aus Herne sah lange wie der Sieger aus
Dabei war es ein Junge aus dem Ruhrgebiet, der in den ersten Runden den besten Eindruck hinterließ: Valentin aus Herne beantwortete nahezu alle Fragen richtig und wäre auch um ein Haar ins Finale eingezogen. Er stolperte allerdings über die unfairen Spielregeln, die ihm eine Frage aus dem von einer anderen Teilnehmerin nominierten Wissensbereich „Giraffen“ zuschusterten, nachdem seine eigenes Spezialgebiet „WM 2010“ bereits von anderen Kandidaten ausgeplündert war. Nicht zu wissen, von welchen stacheligen Pflanzen sich Giraffen ernähren, ist da keine Schande.
Im Finale setzte sich dann Justin souverän gegen den etwas altklugen Fabian sowie die blasse und letztlich chancenlose Silvia durch. Die letzte Antwort „Tabaluga“, auf die Frage nach dem von Peter Maffay besungenen grünen Drachen, brüllte er in der Gewissheit des sicheren Sieges in das Studio.
Ist klug, wer ein großes Allgemeinwissen hat?
Was bleibt, ist trotz aller Kurzweil, die Frage nach dem Sinn? Die Show heißt „Deutschlands klügste Kinder“, doch ist wirklich klug, wer ein großes Allgemeinwissen hat. Oder ist er schlau, clever oder vielleicht sogar gebildet? Eine Antwort darauf liefert Bärbel Schäfer wohl auch nicht in der nächsten Show, die dann am 5. April gewollt witzig-widersprüchlich nach „Deutschlands klügste Blondinen“ sucht. Letztlich ist genau das aber das Beruhigende: RTL 2 bleibt eben RTL 2.