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Deutschland vergreist zusehends. Immer weniger junge Menschen müssen das Sozialsystem stützen. Mit der Zukunftsvision „2030 – Aufstand der Jungen“ will das ZDF provozieren.

Die ARD kann es drehen und wenden, wie sie will: Das ZDF hat seinem öffentlich-rechtlichen Konkurrenten bei den Dokus den Rang abgelaufen. Bester Beleg: die provozierende Zukunftsvision „2030 – Aufstand der Jungen“ (Dienstag, ZDF, 20.15 Uhr).

Das ZDF nutzt den Dienstagabend dazu, mit populär aufbereitetem Schlau-TV Denkanstöße zu geben. Das gilt für die Geschichtsreihe „Die Deutschen“, das gilt aber auch für den Sozial-Horrorfilm „2030 – Aufstand der Jungen“. Die Mainzelmänner nutzen den Dienstag bewusst für Dokus – als Gegengewicht zu den Erfolgsserien von ARD („Familie Dr. Kleist“, „In aller Freundschaft“) und RTL („Dr. House“, „CSI: Miami“).

Doku-Fiction ist mehr als Unterhaltung

Ähnlich will das Erste künftig montags vorgehen. Dabei zeigt die ARD allerdings eine merkwürdige Unentschlossenheit. Während eine Natur-Reihe wie „Erlebnis Erde“ in Ordnung geht, kommt eine Reportage wie „Luxus auf dem Meer – Geschichte der Kreuzfahrt“ wie eine dröge Version des „Traumschiffs“ rüber. Die Nähe zur Unterhaltung ist dabei offensichtlich.

Die Filmproduzentin Regina Ziegler geht mit „2030 – Aufstand der Jungen“ den entgegengesetzten Weg. Sie zeigt mit der sogenannten Doku-Fiction, dass sie mehr als Unterhaltung kann. Unsere zunehmend vergreisende Gesellschaft bereitet der 66-Jährigen Kummer. Deshalb ließ sie Regisseur Jörg Lühdorff bereits 2007 den Dreiteiler „2030 – Aufstand der Alten“ über einen denkbaren Zusammenbruch der sozialen Sicherung drehen – alles andere als Wohlfühl-Fernsehen. „2030 – Aufstand der Jungen“ – der Titel ist Programm – knüpft unmittelbar daran an.

Spannende Geschichte - verknüpft mit düsteren Prognosen

Lühdorff verknüpft seriöse Prognosen über Deutschlands Altersstruktur im Jahr 2030 mit einer durchaus spannenden Geschichte und erfrischendem Schauspiel-Nachwuchs: Der 30-jährige Tim (Barnaby Metschurat) wurde beim Versuch, in den nationalen Hochsicherheitsserver in Berlin einzudringen, angeschossen. Er stirbt schließlich in einem städtischen Krankenhaus, auch deswegen, weil ihn das überlastete Personal zu spät versorgt.

Die junge Journalistin Lena (Bettina Zimmermann) stößt auf Ungereimtheiten. Warum, bitte, wollte Tim illegal in den Server eindringen? Warum wurde sein Leichnam schnell und ohne Obduktion eingeäschert? Und warum behauptet Tims Langzeit-Freundin Sophie (Lavinia Wilson), Tim lebe noch?

Rente, Medizin, Pflege - alles unbezahlbar

Lena findet bedrückende Antworten: Die TV-Nation kannte Tim als eines von zehn „Millenniumskindern“, deren Schicksal in einer Langzeit-Doku begleitet wurde. Doch der talentierte Tim lebte, entgegen seiner glanzvollen Inszenierung im Fernsehen, in bitterer Armut. Lena greift bei ihren Recherchen auf die Hilfe der Jung-Unternehmerin Sophie (Lavinia Wilson) zurück, die ebenfalls zu den „Millenniumskindern“ gehört. Natürlich dient die dynamische Mittelschichtlerin auch als Kontrastfigur, um Tims Elend noch deutlicher zu machen.

Am Ende ihrer Recherchen ist auch Lena am Ende. Ihre bittere Erkenntnis: Der Staat betrieb für die bereits Jahrzehnte zuvor erkennbaren sozialen Risiken keine Vorsorge. Rente, medizinische Versorgung und erst recht die Pflege sind einfach unbezahlbar geworden. Und junge Leute haben das, womit die Null-Bock-Generation der 1980er-Jahre kokettierte: keine Zukunft.

Natürlich will die Zukunfts-Television uns kein unabwendbares Schicksal vorzeichnen. Im Gegenteil: Noch ist Zeit zu handeln.