Krefeld.

Zuweilen singt er von „beißenden Bullen“ – jetzt mimt Konstantin Wecker im TV-Spiel „Klarer Fall für Bär“ (6. Januar, ZDF, 20.15 Uhr) selbst einen Dorfpolizisten. Eine Annäherung.

Ausgerechnet ein Po­lizist. Von einem, der einst sang „Die Bullen beißen wieder“, der immer auf der aufrechten Seite, auf der eher linken Seite stand, erwartet man diese Rolle nicht. „Ist doch schön“, sagt Konstantin We­cker entspannt. „Ich ha­be kein Problem damit, einen unterhaltsamen, leichten, witzigen, vielleicht sogar anrührenden Heimatfilm zu drehen“. Im TV-Spiel „Klarer Fall für Bär“ (6. Januar, ZDF, 20.15 Uhr) gibt Wecker den Massenkompatiblen.

Massentauglich erscheint der Mann nicht häufig. Seit über 30 Jahren sitzt er auf den Bühnen dieser Republik, spielt Klavier, zelebriert seine Mu­sik, verausgabt sich, leistet Überzeugungsarbeit und muss doch erkennen: „Ich hab’ noch nie eine goldene Schallplatte bekommen.“ Seine Fangemeinde bleibt überschaubar über die Jahrzehnte. Seine An­hänger sind Überzeugungstäter wie er selbst, die nach „Willy“ gieren, diesen aufrechten Kämpfer gegen die Rechten, der letztendlich verliert und erschlagen wird. Die jede Zeile seiner unzähligen Songs un­terschreiben, insgeheim zu ih­rer Lebensphilosophie erklären und gar nicht merken, dass „Uferlos“ ernst gemeint und „Genug ist nicht genug“ mehr als eine Lebensphilosophie be­deutet.

„Man hat viel mehr Zeit, als man denkt“

„Heute, auf den Tag genau vor 15 Jahren, haben sie mich verhaftet“, sagt Wecker nachdenklich. Für den Besitz von 40 Gramm Kokain wurde er 1995 nach Stadelheim ge­bracht, fünf lange Jahre und drei Prozesse später zu einem Jahr und acht Monaten auf Be­währung verurteilt. „Der Rausch der Nüchternheit“, sagt er heute, „ist etwas wunderbares.“ Das Wort „geläutert“ mag er nicht verwenden. Mit 63 Jahren sei er einfach nicht mehr so gefährdet. Und schließlich habe er Familie. Genug der Erklärung.

Der einstige Macho, der Va­gabund, der bereits als Kind Richtung Italien abhaute, der sich selbst als „Herdplattenanfasser“ beschreibt, weil er jede Erfahrung unbedingt selber machen wollte, ja einfach ma­chen musste, der seine Niederlagen als „Kunst des Scheiterns“ beschreibt und „tausend unmögliche Wege aufzeichnet, das Glück zu finden“, ist „wieder im Leben, wieder dabei“.

Erscheint gnädiger, ruhiger, gelassener, hellwach. Wecker, diese wortgewaltige Kante Mann, regt sich nicht auf, als die Kellnerin seine Vorfreude auf einen saftigen italienischen Schinken-Käse-Toast von einer Sekunde auf die an­dere durch ein schlabbriges, laff sich um die Finger biegendes Weißbrot in Frust verwandelt. Wecker drängt nicht auf die Beendigung dieses Ge­sprächs, obwohl doch alles ge­sagt ist und der Rest der Band abfahrbereit an der Rezeption auf ihn wartet.

„Zeit“, sagt er, habe vor einigen Jahren eine neue Dimension für ihn bekommen. Allmorgendlich meditiere er, finde Momente der Stille, eines „religionsfreien Gebets“ jenseits jeglicher christlicher Dogmen. „Man hat viel mehr Zeit, als man denkt“, sagt er. Man dürfe sich nicht verrückt ma­chen.

Wecker nutzt seine Zeit, so scheint’s, brutal effektiv. Fünf Filme hat er allein 2009 ge­dreht, er schreibt Balladen, Bü­­cher, Filmmusiken. Komponiert Musicals über den bayrischen König Ludwig oder den österreichischen Künstler Hundertwasser, erhält einen Lehrauftrag an der Universität Würzburg, übernimmt die mu­sikalische Leitung bei den Faust-Aufführungen in Bad Hersfeld. „Stürme und Flauten. Nur eines ist klar: Alles ist anders – und doch wie es war“, dichtete er 2004. Wie wahr. Wecker ist sich über die Jahrzehnte treu geblieben.

Ein Kampf gegen die Ungerechtigkeit

Er kämpft auch nach 30 Jahren noch gegen die Ungerechtigkeiten in der Welt, fühlt sich von Politik „verarscht“, engagiert sich bei „Stuttgart 21“ und prangert die Kriege und die Gier in der Welt an. „Die meisten Menschen hoffen im­mer noch ins obere finanzielle Segment hineinzuschlüpfen“, ist er überzeugt. Politik werde lobbymäßig für die zehn Prozent Reichen gemacht. Es funk­tioniere, weil die restlichen 90 Prozent hofften, dass sie dort eines Tages ankommen.

Diese Missstände thematisiert er, immer wieder, heute allerdings, ohne selbst daran zu zerbrechen, denn: „Es geht ums Tun und nicht ums Siegen.“