Köln. .

Schaupieler Jon Hamm spricht offen über Schicksalsschläge und Depressionen und scheint noch nicht ganz angekommen in „diesem Berühmtheitsdings“. Die hochdekorierte TV-Serie „Mad Men“ hat ihn in den USA zum Star gemacht. Ein Interview.

Jon Hamm ist 39 und seit ungefähr drei Jahren berühmt. Der Schauspieler, der sich in Los Angeles zehn Jahre mehr oder weniger von Job zu Job gehangelt hat und als Kellner arbeitete, um seinen Lebensunterhalt zu verdienen, gilt inzwischen in den USA als Sex-Symbol – seit er in der TV-Serie „Mad Men“ Don Draper spielt, den coolen, kreativen Kopf einer Werbeagentur im New York der 60er Jahre. Zur Frei-TV-Premiere der hochgelobten Serie erzählt Jon von Don, der seine Identität gestohlen hat, ständig lügt, seine Frau betrügt und dabei umwerfend gut aussieht.

Jon Hamm als Don Draper in der TV-Serie „Mad Men“. © ZDF/Lions Gate Television Inc
Jon Hamm als Don Draper in der TV-Serie „Mad Men“. © ZDF/Lions Gate Television Inc © Lions Gate Television Inc. All Rights Reserved

Sagen Sie mal, mögen Sie Don Draper eigentlich?

Jon Hamm:Gute Frage... Als Schauspieler sollte man die Figur, die man spielt, nicht verurteilen, nicht sagen, ,er tut das Richtige’ oder ,er tut das Falsche’. Du musst diese Figur und die Szene spielen, und das so wahrhaftig, wie Du kannst. Wenn man dahinter blicken will, sollte man vielleicht fragen: Kann Don Draper sich selbst leiden? Und man könnte schon sagen, dass er in vielen Bereichen ein ziemlich unglücklicher Typ ist.

Das hat natürlich Ursachen. Er ist ein Betrüger, wie wir herausfinden, dieses Leben, das nach außen so perfekt aussieht, ist auf einem Fundament von Unwahrheiten aufgebaut. Und das Interessante ist: Wenn er offen und ehrlich gewesen wäre, wäre es vermutlich keine große Sache gewesen. Aber weil er’s so lange zurückgehalten hat, verhärtet sich diese Hülle, die er sich gegeben hat, und er ist immer weniger in der Lage, Menschen nahe zu kommen. Er wird also einen Weg finden müssen, damit seinen Frieden zu machen. Das wird allerdings viel Arbeit kosten. Er wird offener sein und über sich selbst nachdenken müssen, und das sind nun mal keine von Dons hervorstechenden Eigenschaften.

Sie haben schon öfter erzählt, dass Sie immer wieder für diese Rolle vorgesprochen haben. Warum wollten Sie sie so dringend spielen?

Hamm:Ich fand das Drehbuch für die Pilot-Folge toll. Ich dachte, das sieht aus wie der Anfang einer sehr interessanten Geschichte. Das weiß man vorher natürlich nicht so genau. Es ist ein Script und man hofft, dass es in dem Stil weitergeht. Da gibt’s keine Garantien, aber ich war sehr fasziniert davon und dachte, das ist was, was man so im Fernsehen noch nicht gesehen hatte, nicht in dieser Ernsthaftigkeit. Es gab im amerikanischen Fernsehen Serien, die in den 60ern und 70ern spielten, die sich nicht um Tiefgründiges drehten. Sie spielten eben in dieser Zeit, nach dem Motto: Ist das nicht lustig, was die damals für Frisuren hatten und was für komische Klamotten, haha. „Mad Men“ war eine viel interessantere Geschichte, die mehr oder weniger zufällig in dieser Ära spielt. Ich fand’s aufregend.

„Es geht nicht um die 60er, sondern um den Mann, den ich spiele“

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Das fragt man sich ja tatsächlich irgendwann: Die Serie spielt ganz offensichtlich in dieser Zeit – aber geht es wirklich um die 60er?

Hamm:Nein! Aber: Wie bei jeder Geschichte, Literatur oder Fernseh-Serie, beeinflusst der historische Rahmen die Geschichte. Man kann keine Geschichte erzählen, die 1965 in Amerika spielt, und ignorieren, was zu der Zeit in der amerikanischen Kultur passierte. Ich weiß das natürlich nicht aus eigener Erfahrung, aber alle Leute, mit denen ich gesprochen habe, die’s erlebt haben, sagen: Die Stimmung war so anders, es fühlt sich an, als ob sich etwas bewegen würde.

Das seltsame bei unserer Serie ist, dass sie startete, als sich etwas bewegte. Die Bush-Ära ging ihrem Ende entgegen, Obama erschien auf der Bildfläche, und da war dieses Gefühl von Hoffnung und Erneuerung: Wir lassen hinter uns, was in den vergangenen acht Jahren passiert ist, vielleicht wird das Neue besser sein. Es fühlte sich wie eine Erneuerung an, und ich glaube, viele junge Leute sahen Kennedy genauso, als er Nixon besiegte, der als letzte Bastion der alten Garde galt, als letztes Überbleibsel der Eisenhower-Ära. Da kam dieser junge Typ, der für Hoffnung und Veränderung stand, und als er ermordet wurde, führte das zu diesen turbulenten Zeiten.

Aber um auf die Frage zurückzukommen: Nein, ich glaube nicht, dass es in der Serie um die 60er geht, sondern um den Mann, den ich spiele, und was er aus seinem Leben macht. Wie er mit seiner Arbeit umgeht und seinen Beziehungen, seinen Kindern und seiner Frau... was eben mehr oder weniger zufällig in dieser Zeit passiert.

„Ich glaube, das Schlimmste ist, zuzumachen und nicht drüber zu reden“

Foto: imago
Foto: imago © imago stock&people

Zurzeit ist „The Town – Stadt ohne Gnade“ im Kino, darin spielen Sie einen FBI-Agenten.Arbeiten Sie anders, wenn Sie eine Rolle fürs Fernsehen entwickeln als wenn Sie eine für einen Film entwickeln?

Hamm:Ja, ganz grundlegend, einfach deshalb schon, weil es im Fernsehen eine Fortsetzungsgeschichte ist. Man ist einfach viel länger bei einer Figur, man kann viel tiefer gehen, sie reicher ausgestalten, ihr mehr Facetten geben. Die Gefahr ist natürlich, dass die Figur stagniert – und dann auf Dauer langweilig wird. Im Idealfall erlebt man mit, wie die Figur sich weiterentwickelt und interessanter wird.

Beim Film hat man einen Versuch. Da lässt man sich besser was einfallen, was von Anfang an interessant anzusehen ist, sonst leidet das ganze Projekt. Deshalb machen sich viele Filme den Reiz der Berühmtheit eines Filmstars zunutze, denn die sind aus gutem Grund Filmstars: Sie sind anziehend und fantastisch und charismatisch, und die Zuschauer haben bestimmte Erwartungen, sind schon vorbereitet, bevor sie das Kino überhaupt betreten.

Das ist beim Fernsehen anders, bei einer Serie wie unserer. Niemand kannte mich, es war ein bisschen rätselhaft: Wer ist dieser Typ und worum geht’s eigentlich in dieser Serie. Wenn es eine einmalige Sache gewesen wäre, wäre nichts hängen geblieben, aber weil es jetzt schon so lange läuft, gibt’s einen Wiedererkennungswert – ach, „den kenn’ ich, der macht doch dieses und jenes“ – und wenn’s gut läuft, wollen sie dabei bleiben.

In den USA kennen Sie inzwischen viele Menschen – oder glauben das zumindest. Sie sind sehr offen in Interviews, sprechen über den Tod Ihrer Eltern, über Ihre Depressionen. Haben Sie keine Angst, wenn Sie so viel von sich hergeben?

Hamm:Das sind alles Informationen, die sowieso im Umlauf sind, ich könnte schlecht erzählen, dass meine Eltern am Leben sind und in Burbank leben, alles ist super. All das ist vor langer Zeit passiert, es macht mir nichts aus, darüber zu reden. Außerdem ist es irgendwie wie Therapie für mich, darüber zu reden und es zu verstehen. Ich habe kein Interesse daran, das zu vergraben, um meine Privatsphäre zu schützen. Es ist nun mal passiert, und ich weiß, dass viele Leute mit sowas umgehen müssen, und ich glaube, das Schlimmste, was man machen kann, wenn man unter Depressionen leidet oder einen Elternteil verliert, ist, zuzumachen und nicht drüber reden zu können. Mir macht es jedenfalls keine Angst, dass es alle wissen. Und überhaupt: Ich rede wahrscheinlich sowieso zu viel. War schon immer mein Problem.

Das „Berühmtheitsdings“ vom Privatleben trennen

Was tun Sie eigentlich, wenn Sie nicht gerade drehen, Interviews geben oder Frauen ganz schwach machen?

Hamm:Ha! Ich versuche, Zeit zu Hause zu verbringen. Das Studio in Los Angeles, in dem wir „Mad Men“ drehen, ist ganz nah bei meinem Haus, ich muss also morgens und abends nicht lang pendeln. Das geht also einfach und schnell, und dann ist meine Freundin da, und mein Hund, und dann gucken wir fern oder gehen ins Kino oder Essen, oder so. Und wenn wir gerade drehen, steh’ ich am nächsten Morgen auf und mach’s wieder genauso. Ist also einem echten Job sehr ähnlich.

Jon Hamm mit seiner Lebensgefährtin, der Schaupielerin und Drehbuchautorin Jennifer Westfeldt. Foto: imago
Jon Hamm mit seiner Lebensgefährtin, der Schaupielerin und Drehbuchautorin Jennifer Westfeldt. Foto: imago © imago stock&people

Es ist nett. Jen ist auch Schauspielerin und Drehbuchbuchautorin, wir arbeiten also tagsüber und verbringen abends Zeit zusammen. Es ist ein Leben, ein schönes Leben, macht Spaß. Wir haben uns ein wirklich nettes Leben zusammen aufgebaut. Das ist dann auch was, das ich vor der Öffentlichkeit schützen möchte. Dieses Berühmtheitsdings... mir ist es lieber, wenn das getrennt läuft von dem, was ich in meinem Privatleben habe.

Wenn man ,Jon Hamm’ googelt, bekommt man als erstes Bilder.

Hamm:Ich hoffe, es sind gute Bilder...

Natürlich sind sie das, wie könnten sie was anderes sein... Ihr Aussehen spielt schon eine große Rolle. Wie seltsam ist es eigentlich, wenn der Zustand Ihrer Gesichtsbehaarung in Klatschmagazinen Nachrichten sind?

Hamm:Das ist in der Tat seltsam, sehr, sehr seltsam. Das passierte zum ersten Mal vergangenes Jahr. Wir hatten die Staffel „Mad Men“ abgedreht, dann ging’s gleich zum Dreh von „The Town“, dann zum Dreh“ von „Sucker Punch“, fast das ganze Jahr war Arbeit, Arbeit, Arbeit. Und ich war müde, total erschossen: Ich wollte mich nicht rasieren, ich wollte nicht duschen, ich wollte gar nichts tun außer ungefähr einen Monat lang schlafen. Das Ergebnis war der Bart. Ich mochte ihn eigentlich ganz gern. Frauen legen sich eine neue Frisur zu, Männer lassen sich einen Bart stehen, ein bisschen Veränderung hin und wieder macht doch Spaß. Dass Leute darüber schreiben? Kann ich nicht verstehen. Aber jedem das Seine.