Berlin. .

Eine völlig überforderte Moderatorin und ritualisiertes Aufeinandereindreschen. Die Debatte um die neuen Regelsätze bei Hartz IV geriet zeitweise völlig außer Kontrolle. Und die positiven Ansätze wurden von Moderatorin Sandra Maischberger abgewürgt.

„Menschen bei Maischberger – „Die Hartz-IV-Wutwelle“: Das war gestern Abend ein Exempel dafür, warum Politik-Talksendungen vom Zuschauer häufig nach der ersten Viertelstunde genervt wieder weggezappt werden: Kaum Erkenntnisgewinn und eine völlig überforderte Moderatorin, die nur selten das ausufernde Durcheinander einer ritualisierten Keilerei zwischen dem liberalen Agent Provocateur Martin Lindner (Bundestagsabgeordneter) und der linken Medienfrontfrau Sahra Wagenknecht in den Griff bekam. Die Hälfte der Sendezeit versank im endlosen Aufeinanderdreschen der beiden – die sich doch nur das Altbekannte zu sagen hatten.

Kakophonisches Chaos

Deren Thesen in der Debatte zur Frage, ob die neue Hartz-IV-Sätze zu hoch oder zu niedrig sind im geordneten Überblick, den es im kakopohonischen Chaos der Sendung leider nicht gab:

Die Linke will 500 Euro – um den Arbeitslosen ein menschenwürdiges Auskommen zu sichern und um die Binnennachfrage zu stützen. Es sei falsch, den Regelsatz an den Einkommen der Arbeitnehmer im Niedriglohnsektor zu orientieren, weil die Löhne in Deutschland schlicht zu niedrig sind (was gestern auch die OECD in einer Studie feststellte). In Deutschland seien in den vergangenen zehn Jahren systematisch die Einkommen der Arbeitnehmer gedrückt worden, während die Gewinne der Unternehmen deutlich stiegen – ebenso das Vermögen der reichen Schichten. An diesen Stellen müsse der Staat angreifen, um die erhöhten Hartz-IV-Sätze zu finanzieren.

Die FDP sieht keinen Spielraum für höhere Regelsätze, weil ansonsten der Abstand zu den regulären Löhnen verschwindet und damit der Arbeitsanreiz verloren geht. Linder betonte, es gebe sonst zu viele, die sich in der berühmten sozialen Hängematte ausruhten. Würden andererseits die Löhne der regulären unteren Einkommen deutlich erhöht, etwa durch einen flächendeckenden Mindestlohn, dann würden viele Jobs schlicht vernichtet. In strukturschwachen Regionen wie im Osten Deutschlands oder im Norden könnten die Unternehmen keine höheren Löhne finanzieren. Zudem habe das jetzige Lohnniveau dazu beigetragen, dass Deutschland im internationalen Wettbewerb hervorragend dastehe, die Arbeitslosigkeit niedrig sei und die Wirtschaftskrise so schnell überwunden werden konnte.

Frischer Wind in der Debatte - abgewürgt

So weit, so langweilig – und dazu noch das geboten von zwei Protagonisten, die sich emsig bemühten, nicht zu den Sympathieträgern der politischen Zunft zu gehören. Und auch die Moderatorin trug mit Kräften zum gänzlichen Misslingen der Diskussionsrunde bei, weil sie einen der interessanteren Debattenstränge des Abends nach kurzer Zeit abwürgte, der einen frischen Wind in den Austausch der ewig gleichen Ideologie-Plattitüden hätte bringen können.

Der Historiker Arnulf Baring hatte den Ball ins Spiel gebracht mit seiner Anmerkung, es sei eine falsche Prämisse, dass der Staat alles könne und für jeden Bürger optimal zu sorgen habe. Der Staat habe Rahmenbedingungen zu setzen, Spielregeln zu definieren und auf deren Einhaltung zu achten. Mit Leben füllen müssten ihn die Menschen, die darin leben.

An dieser Stelle kam Sternekoch Christian Rach zu Wort, der gerade versucht, im Rahmen seiner Sendung „Rachs Restaurantschule“ (RTL) mit einer Gruppe Arbeitsloser einen Gastronomiebetrieb aufzuziehen. Er kennt also die Tiefen der Realitäten – und er plädiert vehement für mehr Engagement der Unternehmen für solche Wiedereingliederungsprojekte, er fordert aber auch mehr Engagement der Betroffenen selbst – vielen fehle es tatsächlich an elementaren Grundkenntnissen. Es könne aber nicht nur darum gehen, immer mehr Geld zu fordern und ins System zu pumpen. Er habe die Befürchtung, dass mehr Geld für Hartz-IV letztlich nur dazu führt, dass da „ein finanzieller Zaun um ein gesellschaftliches Problem gebaut wird“.

Diskussion auf ausgetretenen Pfaden

Rach fordert sozialen Einsatz der Unternehmen, sie sollten „den Jugendlichen eine Chance geben, die bisher keine hatten“. Das heißt: Es mit einer Einstellung auf Probe oder sonstigen Instrumenten versuchen – und vielleicht Talente entdecken, aber auch Perspektiven eröffnen. Das gleiche gelte auch bei der Frage, wie man etwa alleinerziehende Mütter wieder besser in den Arbeitsmarkt bekommt (immerhin 43 Prozent der Hartz-IV-Bezieher). Auch hier seien die Firmen gefragt – viele Probleme ließen sich etwa durch Betriebskindergärten preiswert lösen.

Und gerade als die Chefin des Sozialverbandes VdK, Ulrike Mascher, diesen Thesen beipflichten und sie in Richtung Bildungswesen weiterdiskutieren wollte – da schritt Maischberger ein und führte die Diskussion zurück in die ausgetretenen Pfade der Wagenknechts und Lindners, die dann wieder auf das herzhafteste ihre politischen Animositäten und Plattheiten austauschten.

Sylvia Schwab, übrigens, Alleinerziehende Muttern von vier Töchtern und Hartz-IV-Bezieherin, blieb die meiste Zeit sprachlos. Auch das symptomatisch für das politische Niveau des Abends.