Köln. .

Er wartet schon am Eingang. Dunkel der Anzug, weiß das Hemd. „Kommen Sie durch”, sagt er und drückt zur Begrüßung fest die Hand. „Visitenkarte?” Der Mann bedauert. „Habe ich gar nicht.” Braucht er auch nicht. Zumindest nicht beim WDR in Köln. Seit fast 40 Jahren steht er hier hinter dem Mikro. „Rock-Lexikon auf zwei Beinen” nennen ihn manche. „Guten Abend, Herr Handt”, grüßt der Pförtner.

Ein paar Minuten später steht Roger Handt drei Stockwerke höher im Studio 2 des WDR. In gut 60 Minuten wird er hier auf Sendung gehen. Wie schon so oft. Trotzdem ist dieser Abend etwas besonderes. „Meine letzte Classics-Sendung”, sagt Handt, der Sonntag 65 Jahre alt wird. Doch für Wehmut ist keine Zeit. Klack, klack macht es, als Handt einen Alukoffer öffnet, der schon auf ihn gewartet hat. CDs sind darin mit Titeln, die er am Morgen durchgefaxt hat ans Musikarchiv des Senders. Handt greift zur Lesebrille. „Muss mal eben kontrollieren, ob alles da ist”, murmelt er, während er die Cover durchblättert. Natürlich hätte er die Songs auch von zu Hause mitbringen können. Vermutlich könnte er einen ganzen Lastzug Platten von zu Hause mitbringen, nach all den Jahren.

Die Leidenschaft hat ihn schon als Kind gepackt. Da lebt die Familie noch auf Fehmarn, und der kleine Roger ist kaum wegzukriegen von der Musikbox im Dorfcafé, aus der Elvis Presley, Connie Francis und die Everly Brother klingen. Anfang der 60er ziehen die Handts ins Rheinland. In fast jeder Kneipe spielen Live-Bands. „Eine tolle Zeit”, sagt der Vater einer Tochter. Nur im Radio ist von Rock und Beat nichts zu hören. „Und seine Schallplatten hat man im Elektrogeschäft gekauft.” Handt kauft sie nicht nur, er legt sie auch auf. Eigentlich will er Ingenieur werden, doch: „Ich hatte ein gutes Angebot einer Discothek in Süddeutschland.”

Es ist nicht das letzte, das er bekommt. Zum Jahreswechsel 1972/73 legt Handt in einer Kölner Discothek auf, als gegen Mitternacht ein Team der BBC Interviewpartner sucht. „Ich war der einzige, der noch ansprechbar war.” So kommen sie ins Plaudern. Zufällig hört ein WDR-Redakteur das Gespräch. Wenige Tage später klingelt bei Handt das Telefon. „Wollen sie nicht bei uns mal eine Sendung machen?” Natürlich will er. „Obwohl es damals nicht mal eine Platte von den Beatles im WDR-Archiv gab.”

Alles wegmoderiert

Das hat sich geändert. Sicher auch wegen Handt, der jahrelang wegmoderiert, was anfällt an Musiksendungen beim WDR. Künftig aber wird seine unverwechselbare Stimme nur noch einmal pro Woche über den Äther gehen. „Kürzer treten” will Handt. Deshalb hat er die „Classics” drangegeben. „Yesterday” am Samstagabend aber will er weitermachen. Will Wissen abfragen im Quiz, mit Leuten plaudern und Plattenwünsche erfüllen. Letzeres verwundert in Zeiten von iTunes und Internet, wo vermeintlich alles jederzeit abrufbar ist. „Habe ich auch erst gedacht”, sagt Handt. „Aber irgendwie lieben es die Leute wohl, ihren Namen im Radio zu hören.”

Handt ist nicht unumstritten. Manche halten seine ruhige Art der Moderation für überholt. Laut sagt es keiner. Vielleicht, weil Handt Senderchefin Monika Piel seine Frau ist. Vielleicht auch, weil er eingeschworene Fans hat. In Handts Programm wiederholt sich nichts, und vieles würde er nie spielen. „Ich kann nicht viel anfangen mit Künstlern, die sich wichtiger nehmen als ihre Musik.” Hinten winkt einer. „Ich muss ins Studio”, entschuldigt sich Handt. Kurz darauf steht er vor dem Mikro, verliest Verkehrsnachrichten, dann gibt’s Musik. Rory Gallagher, Dire Straits, The Who. Musik, die Handt mag. Weil sie „aus dem Bauch kommt, nur dann ist sie gut.”