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Der deutsche Weltstar Mario Adorf wird am Mittwoch 80 Jahre alt. Im Interview mit Jürgen Overkott verriet der Mime, warum er nach vorn blickt, was er von Patriarchen hält und wie er selbst als Vater ist.

Sie machen gerade Urlaub in Saint-Tropez. Was ist für Sie die perfekte Form des Entspannens?

Mario Adorf: Wenn ich hier bin, arbeite ich auch immer. Deshalb ist es für mich auch kein Urlaub im eigentlichen Sinne. Sicher, ich nutze die Gelegenheit, möglichst oft ans Meer zu gehen, um zu schwimmen. Aber der Aufenthalt wird immer wieder unterbrochen, wenn ich anderswo zu tun habe. Das pure Nichtstun im Urlaub ist sowieso nichts für mich.

Bei Ihnen steht ein runder Geburtstag an. Wie feiern Sie?

Adorf: Ich werde nicht in Deutschland feiern, zumindest nicht am Geburtstag selber. Ich werde das nachholen, denn so ganz lassen sich diese Feiern nicht vermeiden. Jetzt feiere ich Saint-Tropez im kleinen Freundeskreis, wobei sich herausgestellt hat, dass er dann doch nicht so klein ist.

Wie blicken Sie auf Ihre 80 Lebensjahre zurück?

Adorf: Den Rückblick pflege ich eigentlich nicht. Ich sehe lieber nach vorne. Mich beeindruckt die Zahl 80 nicht sonderlich, und deshalb fange ich auch nicht an, Bilanz zu ziehen. Für mich ist der Geburtstag nur ein Datum von vielen, und dann geht‘s weiter.

Was treibt Sie um?

Adorf: Ich bereite mich auf einen Film vor, dessen Dreharbeiten im Oktober beginnen, und zwei Projekte stehen im Frühjahr an. Eigentlich hat sich nichts geändert.

Das Alter ist Ihr Freund.

Mario Adorf wird 80 Jahre alt. Foto: ddp
Mario Adorf wird 80 Jahre alt. Foto: ddp © ddp

Adorf: Bisher ja. Bis jetzt lässt es mich ungeschoren. Das wird sicher nicht so bleiben. Ich sehe meine Zukunft nicht völlig unbeschwert. Noch mal 20 Jahre wie bisher wird es sicher so nicht geben. Aber im Augenblick tut man so, als gäbe es das nicht. Dennoch bin ich geiziger geworden mit meiner Zeit.

Sie sind jetzt zu sehen als „Der letzte Patriarch“. Braucht unsere Gesellschaft mehr starke Väter?

Adorf: Der Titel ist sogar auf meinem Mist gewachsen. Die großen Patriarchen-Figuren sind im Aussterben. Bei Unternehmen folgen den Patriarchen austauschbare Manager.

Bedauern Sie das?

Adorf: Für michsind Sie reizvoller. Einen Burda trifft man viel lieber als einen Manager, von dem man nicht weiß, ob er im nächsten Jahr noch denselben Job hat. Aber bei einem Patriarchen ist das anders. Selbst wenn er ein Stück seiner Macht abgibt, ist er immer noch da - man kann ihn nicht entlassen.

Dennoch hat der Patriarch etwas Zwiespältig. Oft bewegt sich auf einem schmalen Grat zwischen Autorität und autoritär.

Adorf: Aber für mich ist der Begriff zunächst einmal mit Sympathie verbunden. Selbst Patriarchen sind nicht immer pflegeleicht - sie sind für mich eben Persönlichkeiten. Denken Sie ans Theater! Auch da gab es eine Riesendiskussion um Mitbestimmung, aber letztlich hat es dort doch nur dann funktioniert, wenn es einen gab, der sagte, so wird‘s gemacht. Denken Sie nur an Peter Stein!

Erstaunlicherweise hat die antiautoritäre Bewegung beim Theater einige Patriarchen hervorgebracht, wie Zadek, wie Peymann.

Adorf: Als die Diskussion um Mitbestimmung anfing, habe ich mal in Italien gearbeitet. Und der Regisseur sagte mir, Sie haben bei mir die völlige Freiheit, das zu tun, was ich Ihnen sage.

Verfahren Sie selbst auch nach dieser Maxime?

Adorf: Ich habe Sympathie dafür. Ich bin beim Theater groß geworden, als es diese großen Theatermänner noch gab. Nehmen wir nur Gründgens!

Bezeichnen Sie selbst auch als Patriarch?

Adorf: Durchaus nicht, durchaus nicht. Ich pflege nicht, mich mit meinen Rollen zu identifizieren. Nein, ich bin kein Patriarch, weil ich eine solche Familie nicht verfüge. Ich bin anders groß geworden, ich bin ohne Vater aufgewachsen, ich habe es auch nicht zu einer großen Familie gebracht, ich habe eine Tochter und einen Enkel. Dass ich einen Patriarchen darstellen kann, nun, das freut mich, dass man mir zutraut, eine derartige Rolle glaubwürdig zu verkörpern. Ich spiele diese Rollen auch sehr gerne, aber das sind eben nur Rollen.

Haben Sie Ihren Vater vermisst?

Adorf: Eigentlich nicht. Meine Mutter war eine sehr starke Frau. Im Nachhinein war ich froh, dass ich nicht mit einem Vater aufgewachsen bin, der alles bestimmt. Die Frauen regeln Konflikte mit leichterer Hand.

Auch als Sie in der Pubertät waren?

Adorf: Als ich in den Flegeljahren war, gab es eine Situation, wo meine Mutter unseren Hausherrn, der ein starker Mann war, zu Hilfe genommen hat. Sie meinte, sie kriegt mich nicht mehr anders unter Kontrolle. Also hat sie ihn zu Hilfe gerufen, und er hat mich mit seiner Autorität beeindruckt. Ich habe das wahrgenommen als eine Warnung und mich dann doch mehr auf meine Mutter verlassen.

Haben Sie von Ihrer Mutter gelernt, Konflikte elegant zu entschärfen?

Adorf: Eigentlich schon. Meine Mutter war keine einfache Frau, und sie ist im Leben hart geworden. Diese Härte habe ich allerdings nicht erworben. Ich brauchte sie nicht. Ich musste weder hart werden noch überehrgeizig.

Haben Sie Ihren Vater kennengelernt?

Adorf: Ja, ich habe ihn ganz kurz kennengelernt, bei einem einzigen Besuch. Er sprach Italienisch, das ich damals noch nicht konnte. Ich sprach Deutsch, das er nicht konnte. Es war eine sehr kurze, sehr sprachlose Begegnung - und eine sehr unsentimentale. Ich habe eine physische Ähnlichkeit festgestellt. Ah, dachte ich, da kommst Du her, so kannst Du auch mal aussehen. Aber ich habe es geschafft, doch nicht so auszusehen - er war sehr korpulent. So habe ich mich nie gehen lassen.

Als Ihre Tochter kam, wollten Sie anders sein als Ihr Vater?

Adorf: Na ja, wenn man in einer solchen Familie groß geworden ist wie ich, hat man auch kein großes Verhältnis zur Familie. Ich habe das auch nicht angestrebt. Da meine Tochter bei ihrer Mutter aufgewachsen ist, war ich da auch nicht überpräsent, und es hat schon bis zu ihrem Erwachsenwerden gedauert, bis wir uns angenähert haben. Aber jetzt haben wir ein gutes Verhältnis.