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Dreieinhalb Stunden geht’s abwärts. Dreieinhalb Stunden in ewiger Finsternis. Mit drei Menschen zusammengepfercht auf 2,1 Meter Durchmesser. In einer Titankugel, umgeben von der lebensfeindlichen Materie Wasser. Nach dreieinhalb Stunden, in 3803 Metern Tiefe, ist das Ziel erreicht. Die Scheinwerfer werden eingeschaltet, durch ein Streichholzschachtel großes Bullauge taucht „die Realität in Form einer rostigen Wand“ auf. Willkommen an der Titanic.

Erlebnis-Tourismus nennt sich der Ausflug, den wohlhabende Zeitgenossen für schlappe 39 999 Euro zu dem vor genau 25 Jahren (1. September 1985) entdeckten Wrack buchen können. „Etwa 40 Menschen weltweit“ haben sich die Reise in die Dunkelheit bisher genehmigt, erzählt Jochen Schweizer, Event-Unternehmer aus Bayern, der knapp 1000 Adrenalin-Kicks vom Flug im Bottroper Windtunnel bis zum angstfreien Töpfern in der Toskana im Programm hat. Vor fünf Jahren hat Schweizer den letzten Menschen auf den Grund des Atlantik geschickt. „Die Zielgruppe ist klein“, sagt er. „Die Gruppe ist erschöpft.“

Dennoch: Das Angebot nimmt Schweizer nicht aus dem Programm. Genauso wenig wie Jörg Wünning. Inhaber einer Lüneburger Agentur für Erlebnis-Reisen. Wünning möchte im August 2011 eine weitere Fahrt anbieten, Schweizer setzt auf den Jahrestag der Katastrophe. Am 14. April 2012 plant er ,Abenteuerhungrige an die Unglücksstelle zu schicken, da wo ein Eisberg vor genau 100 Jahren um 23.40 Uhr der als unsinkbar geltenden Titanic den stählernen Bauch aufschlitze. „Das muss ein magischer Moment sein“, sagt Schweizer, „wenn ich realisiere: Ich befinde mich an dem Ort, wo 2224 Menschen um ihr Leben gekämpft haben“.

1513 Menschen waren 1912 bei dem Untergang des damals größten und luxuriösesten Passagierschiffes der Welt ums Leben gekommen, 711 konnten gerettet werden. Am Jahrestag, so steht zu befürchten, wird’s voll über dem Wrack. Verwandte von Opfern und Überlebenden haben bereits angekündigt, dass sie dort ihrer Lieben gedenken wollen.

„Die Suche nach individuellen und authentischen Erlebnissen“, wie Schweizer es beschreibt, treibe Menschen zur Titanic. „Die Tauchfahrt war mein Traum“, berichtete Heike Schnellbach, die 1998 die Reise gewonnen hat.

Weltweit gibt es nur etwa fünf U-Boote, die mit Menschen besetzt in diese Tiefe gleiten können. Sowohl Schweizer als auch Wünning kooperieren mit russischen Wissenschaftlern. Die stellen das Equipement, kassieren und finanzieren dadurch ihre weitere Forschungsarbeit. Auf der Akademik Keldysh werden die illustren Gäste während der 386 Seemeilen langen Fahrt von Neufundland bis zum Wrack über die Titanic aufgeklärt.

Verstreute Teile

Elf Stunden dauert die dunkle Reise zum Meeresgrund und zurück. Spektakuläre Bilder von den rostigen Resten des Wracks, die zum Teil über 600 Meter verstreut liegen, gibt’s eher selten. „Wir konnten den Bug, den Mast und die Kajüte des Kapitäns erkennen“, erinnert sich Heike Schnellenbach im Interview mit der Rhein-Zeitung. Einen Bezug zur Titanic habe sie aber nicht finden können.

Meeresbiologen befürchten dass der ehemalige Luxusliner in einigen Jahren zusammenbricht. Rost und Mikroorganismen knabbern unablässig an dem ursprünglich 270 Meter langen Koloss. Macht vielleicht nichts. „Die Aufregung, ein Abenteuer auf dem Meeresgrund erlebt und überlebt zu haben“, sagt Schellbach, stelle im Nachhinein alles in den Schatten.