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Privatfernsehen lebt gut davon, Menschen vorzuführen. Nach überschuldeten Hartz-IV-Empfängern, kaputten Familien und getauschten Frauen stehen bei „Generation Ahnungslos“ auf RTL 2 nun verstörte Teenager im Fokus.

„Hemmungsloser Sex wird bei Jugendlichen ein zunehmendes Problem”, dröhnt der Sprecher, während ein aufgebrezeltes Mädchen in der Disco mit den Hüften wippt. „Zur Not werden da die Beine breit gemacht”, hört man die Mutter zur Einstimmung sagen, und man ahnt, es wird kein Deutschkurs werden, dem wir hier bei der „Generation Ahnungslos“ für eine Dreiviertelstunde beiwohnen.

Frischfutter für die Meute

Die alleinerziehende Frau muss sich von ihrer Tochter vor laufender Kamera als „behinderte Hure” anpöbeln lassen, atmet aber immerhin auf, als sie erfährt, dass ihre Debbie erst drei Liebhaber hatte. Mit 14. Der aktuelle Freund des Teenagers ist 20 und geschieden, und wenn die 35-Jährige ins Jugendzimmer schlurft, wo die beiden auf dem Bett liegen, fängt sie sich ein „Verpiss disch!” ein.

Da ist es wieder, das Elend der Anderen, mit dem die Privatsender seit Jahren Quote machen. Die geiernde Meute ruft offenbar immer noch nach Frischfutter. Und wem überschuldete Hartz-IV-Empfänger, kaputte Familien und getauschte Frauen nicht langen, dem serviert RTL 2 nun jeden Dienstag verstörte Teenager mit Hormonschüben.

Dokusoaps und kein Ende. Ob authentisch oder mit Laiendarstellern gesteuert, um der Wirklichkeit nachzuhelfen – wen juckt das noch? Hauptsache: schön primitiv. Das Reservoir an Figuren, die sich mit ihren Abgründen zur Schau stellen, scheint unerschöpflich, die Lust, wahrgenommen zu werden, ist größer als jede Angst vor einer Blamage. Der Vorführungseffekt verliert nicht an Zugkraft, selbst wer noch Reste des Fremdschäm-Gens in sich spürt, stumpft langsam ab.

RTL 2 schickt eine Sexualtherapeutin ins Haus, die sich der asozialen Gemengelage annehmen soll. Und die stellt nach dem dritten Schimpfschwall aus fachfraulicher Sicht fest, „dass hier Wörter benutzt werden, die ich nicht in Ordnung finde”. Der Schluss, dass hier ab und zu Wörter benutzt werden, die in Ordnung sind, wäre angemessener. Man möchte auch nicht wirklich erfahren, wie sich ein 14-jähriges Prolo-Mädchen die Geschlechtsorgane alter Menschen vorstellt. Man erfährt es aber. Natürlich.

Jahrmarkthafte Zurschaustellung Hilfsbedürftiger

Es gäbe manches über die ernst zu nehmende Problematik des Einzugs von Pornographie in deutsche Kinderzimmer zu berichten, über die Schwierigkeiten Heranwachsender, das Körperliche richtig einzuordnen, zwischen Sex und Zuneigung zu unterscheiden. Der Sender aber will Geld verdienen und sein Stammpublikum bei Laune halten. Das lässt sich mit vermeintlich drögen Interviews schlechter erreichen, als mit der jahrmarkthaften Zurschaustellung Hilfsbedürftiger.

Weil die Expertin sich selbstverständlich mit einem Erfolgserlebnis verabschieden muss, vertragen sich Mutter und Tochter am Ende und können plötzlich ganz entspannt über Sexualität plaudern. Knetgummi sei Dank. Beide formen nebeneinander ihren Lieblingspenis und finden das sehr lustig. Da kann man nur sagen: echt geil.