Berlin. .

„Wenn Sie sich waschen und rasieren, haben Sie in drei Wochen einen Job.“ Der Satz könnte von Jürgen Hesse sein, dem neuen Lebensberater von RTL. Stimmt aber nicht. Der Satz stammt vom Frisurexperten Kurt Beck. Gemeint war ein 37-jähriger Arbeitsloser, der in Wiesbaden mit dem damaligen SPD-Chef aneinander geraten war.

Die Empörung damals war groß: Als ob vier Millionen Deutsche nur deshalb keine Arbeit finden, weil sie falsch aussehen. Doch der Stammtisch mag solche Argumente: Haare ab, Vertrag her. Ganz einfach. Die wollen ja bloß alle nicht.

Und RTL denkt heute, drei Jahre nach der Beck’schen Typberatung, nicht im Traum daran, die Sache unnötig komplizierter zu machen: Gleich in der ersten Folge des neuen Coaching-Formats „Endlich wieder Arbeit“ (Sonntag, 19.05 Uhr) muss sich der arbeitslose Pferdepfleger Theo Betzel aus Berlin den Vokuhila abschneiden, sieht damit aus wie Kurt Beck nach einer versoffenen Nacht, kriegt aber tatsächlich prompt den Job.

Lebenshilfe im Fernsehen hat offenbar seinen Zenit überschritten

Das neue RTL-Format startet mit Gegenwind: Lebenshilfe im Fernsehen, gestern noch ein Megatrend, hat offenbar den Zenit überschritten. Schuldnerberater Peter Zwegat hatte schon mal bessere Quoten, und auch die „Super Nanny“ Katharina Saalfrank wollen immer weniger Zuschauer sehen.

Jürgen Hesse kriegt also erst mal bloß drei Folgen – nur wenn die Quote stimmt, geht’s weiter. Mit dem Bestsellerautor und Bewerbungscoach hat RTL allerdings einen echten Star der Beraterbranche an Land gezogen. Zusammen mit Hans Christian Schrader bildet der 58-jährige Hesse das Duo Hesse/Schrader – in der Szene ein Inbegriff für Karriereberatung.

Der Berliner Psychologe ist ein telegener Typ, der mit der seriösen Hemdsärmeligkeit des Erfolgsmenschen im Vorbeigehen das Leben anderer Leute aufräumt. Schaut her, so leicht ist das.

Klar: Jürgen Hesse hat einen guten Namen und ist ein Profi. Wenn so einer die Bewerbungsmappe auf Erfolg trimmt, dann 20 Stellenanzeigen durchtelefoniert, bekommt sein Klient garantiert ein Vorstellungsgespräch. Wenn so einer dann noch mit dem RTL-Kamerateam anrückt, kommt dabei natürlich auch ein Job heraus. Soweit, so logisch. Nur, dass diese Hauruck-Logik im Vergleich zum Alltag der meisten Arbeitssuchenden wie blanker Hohn klingt.

Doch Coaching-Formate sind kein Schulfunk, sie wollen nicht wirklich verwertbare Lebenshilfe liefern. Es geht um Voyeurismus („O je, was ist denn bei denen los?“) und um die Sehnsucht nach Macher-Typen. Da kommt einer und packt die Dinge an. Die Wohnung, die Konten, die Kinder. Im Handumdrehn wird aus einem verzweifelten Häufchen gescheiterter Menschen wieder eine dankbare, zu Tränen gerührte Familie. Man kann das Erbauungsfernsehen nennen – oder Sozialkitsch.