Essen. .
Es ist nur eine Rolle. Aber eine, die ihm auf den Leib geschrieben ist. Henning Baum spielt Mick Brisgau, einen Ruhrgebiets-Polizisten, der 20 Jahre lang im Koma gelegen hat, bevor er in den Dienst zurückkehrt. Er ist „Der letzte Bulle”, einer der anders ist. Genau wie Baum.
Ein Frühlingstag in Essen. Einer der ersten in diesem Jahr. Die Hände in den Taschen biegt Henning Baum um die Ecke. Eigentlich ist er gekommen, um über seine neue Serie zu reden. Aber erst einmal redet er über Essen. Weil er auf dem Tresen des Cafés ein Heft über das neue Folkwang-Museum gefunden hat. Das findet er gut. Genau wie die Stadt. „Man muss Essen nicht über den grünen Klee loben”, sagt Baum. „Aber es gibt viele Leute, die hier was bewegen wollen.” Auch darum lebt er gerne hier. Wieder hier. Denn eine Zeit wohnte Baum mit Frau und drei Kindern im Flügel eines niederbayerischen Wasserschlosses. Hat sich so ergeben, hatte nichts mit Glamour zu tun. Glamour interessiert Baum nicht. „Wer als Mann ein glamouröses Leben führt, ist eine Witzfigur”, sagt der 38-Jährige. Und Baum ist keine Witzfigur.
Womit der Bogen geschlagen ist zu Mick Brisgau, dem letzten Bullen aus Essen. Der ist nämlich auch keine Witzfigur. Dafür aber witzig. Schon weil er aus einer anderen Zeit stammt. 20 Jahre hat er im Koma gelegen, nachdem ihn eine Kugel in den Kopf getroffen hat. Als er wieder wach wird, muss er sich erst einmal zurechtfinden in einer Welt, in der die Telefone nun mobil sind und Internet und DNA-Analysen alltäglich. Und in der Raider plötzlich Twix heißt. Aber auch die Kollegen müssen sich erst einmal an den Mann aus der Vergangenheit gewöhnen. Der Bürokratie hasst, Rauchverbote ignoriert und die nette Psychologin mit einem Klaps auf den Po begrüßt. Crocodile Dundee als Polizist. Im Ruhrgebiet.
„Die Idee ist gut”, fand Baum, nachdem er das Drehbuch gelesen hatte. Schon weil er selbst der virtuellen Welt mit einer gewissen Distanz gegenübersteht. Facebook, Twitter, „ich frage mich immer wieder, ob ich das alles wirklich brauche”.
Die Hauptfigur findet Baum noch besser. „Der Typ liegt mir.” Denn in Mick Brisgau steckt viel Ruhrgebiet. Genau wie in Baum. Bodenständig sind sie, haben den Schalk im Nacken und das Herz auf der Zunge. Ecken an, fallen auf, provozieren auch gerne mal. Baum ist schon als Teenager so. Deshalb nehmen ihn seine Eltern mit 17 Jahren auch von der Waldorfschule und schicken ihn auf ein englisches College. „Reifer” und „mündiger” kehrt er zurück. Und den Grundstock für die beeindruckend muskulösen Oberarme hat er auch gelegt.
Ein Rettungssanitäter
Nach dem Abi wird er Rettungssanitäter. Hart sind die Einsätze rund um den Essener Hauptbahnhof. Aber Henning Baum mag den Job. „Da habe ich mich mit der anderen Seite des Lebens auseinandergesetzt.”
In den 1990ern bewirbt er sich bei der Westfälischen Schauspielschule Bochum. Denn schon seit der Schule ist das Theaterspielen eine Leidenschaft Baums. Nun will er wissen, wo er steht. „Ich musste mit Leuten reden, die mir sagen konnten, ob ich das kann oder nicht.” Baum kann. Er spielt Theater, spielt im Film, aber vor allem im TV. Er spielt den Ruprecht im zerbrochene Krug, spielt aber auch in Germanus – Held der Gladiatoren. Oder den Leutnant Schell in „Trenck”. Für Sat.1 gibt er in der Serie „Mit Herz und Handschellen” einen schwulen Kommissar. Dafür erhält er den Deutschen Fernsehpreis als bester Schauspieler in einer Serie. Baum macht Drama, macht Krimi und Komödie. „Manchmal wundere ich mich selbst über diese Bandbreite.”
Er hat keine Traumrolle. „Manchmal bekommt man ein Drehbuch, das einen überrascht. Das reizt mich.” „Der letzte Bulle” war so eines. Sechs Folgen werden laufen. Erst einmal. Und in jeder Folge habe er den Charakter von Brisgau weiter freigelegt, sagt Baum. Wie ein Bildhauer seine Skulptur nach und nach aus dem Stein haut. Baum hofft, dass die Quoten stimmen und dass es weitergeht mit Brisgau. „Micks Geschichte ist noch nicht auserzählt. Er hat noch jede Menge Potenzial.”
Genau wie Baum.
„Der letzte Bulle“ startet am 12. April 20.15 Uhr auf Sat1.
Bilder © SAT.1 / Martin Rottenkolber / Thomas Pritschet