Mainz. .
Das Kinderfernsehen-Kind der Umweltbewegung hat Geburtstag: „Löwenzahn“ wird 30 Jahre alt
Das Blümchen hat Geburtstag und bekommt einen Baum. Dum, dum, dödedum! Es knurpst das Pflaster, es platzt der Asphalt, winziges Grün reckt sich ins Straßengrau, und aus seiner Knospe geht die Sonne auf: „Löwenzahn!”, bemerkt die Männerstimme aus dem Off, als könne das nicht jeder sehen. Seit 1980 schon: Das Kinderfernseh-Kind der Umweltbewegung wird 30 Jahre alt. Und das ZDF schenkt ihm wirklich einen Baum: eine Mitmach-aktion für kleine Zuschauer.
Allerdings gibt es zum Fest auch eine eigene Sendung: „Wildes Kraut – Der unschlagbare Löwenzahn” (Samstag, 27. März, 10.35 Uhr, ZDF) erzählt, wie man aus der Blume einen Ball machen kann. Gib Gummi, Pflänzchen! Das erste Mal ist der Löwenzahn sein eigener Star.
Immer schön bio
Behauptet der Sender, dabei stimmt das nicht ganz: Kenner – also all das Publikum der Generation 30+, das schon in den 80ern mitsamt Eltern vorm Bildungs-TV hockte – werden sich erinnern an jene Folge, da Peter Lustig die Schirmchen seiner Pusteblume zum Nachbarn pustete, der damals noch nicht einmal Paschulke hieß aber trotzdem sehr böse wurde. Und wie damit eine dieser vielen politisch korrekten Geschichten für die Freiheit der Natur begann.
Ach, Peter Lustig. Falsch, ihn einen Moderator zu nennen oder einen Schauspieler, wie seinen Nachfolger Fritz Fuchs (Guido Hammesfahr), der vor fünf Jahren in den blauen Bauwagen nachzog. Lustig war lustig in seiner Latzhose, Lustig war Lustig, also: echt. Ein Erwachsener mit kindlicher Neugier, der Antworten suchte auf seine Fragen, und wenn er dafür seinen Garten umgraben musste; der so wunderbar staunend „ach” sagen konnte oder „Ist das nicht schön?” Und für den es nichts gab, was es nicht gibt. Hat er es eben selbst gebaut: Regenwarn-, windgetriebene Nudelaufwickel-, Eierschalen-Zertrümmerungs-Maschine.
Lustig und sein Publikum mussten irgendwann Abschied nehmen
„Löwenzahn” ist dabei stets mehr gewesen als eine kindgerechte Sonntagsshow: Wissenschaftssendung, Abenteuergeschichte, Umweltratgeber, 273 Abenteuer auf 25 Millionen Metern Film – die Familien, die sich immer wieder sonntags auf dem Sofa trafen zum Lernen und Lachen gar nicht gezählt. Wobei – hieß der Löwenzahn nicht eigentlich jahrelang wie sein Alter Ego: „Pusteblume”? Pustekuchen! Ein paar Monate und 20 Folgen waren das nur; es endete im Streit – Löwenzahn und Pusteblume aber konnte keiner trennen (vertreiben auch nicht, das ist der Hintergedanke). Nur Lustig und sein Publikum mussten irgendwann Abschied nehmen.
Statt Latz- kam die rote Hose von Fritz Fuchs, statt Klaus-Dieter, der sprechenden Ukulele, gibt es jetzt den Hund Keks, und alles ist schneller geworden, moderner – aber immer noch bio. Wegen der Moderne ist der Löwenzahn inzwischen auch nicht nur aus der Erdkrume, Im Elchwinkel, Bärstadt, ausgebrochen, sondern auch aus dem Fernsehen. Es gibt ihn online zum Mitmachen, als Web-Comedy, als Bühnenshow auf der Sommertour des KiKa, als Schnitzeljagd und bald als Kinofilm. Fritz Fuchs wird dann eine Entführung klären. Und wem das noch nicht reicht, der bleibt im Herbst wach für eine Kultnacht: „Best of 30 Jahre Fragen-Forschen-Wissen”. Der Löwenzahn ist wie im wirklichen Leben: überall.
Kultnacht geplant
Ob das gut ist? Schlecht? Oder – egal? Jedenfalls sind die Zeiten vorbei, da jemand wagen würde, was Peter Lustig 25 Jahre lang selbstverständlich tat: Den Kindern ins Auge zu sehen durch seine Nickelbrille, die Hand zu heben zum Drehgriff und nur dieses eine Wort zu sagen: „Abschalten.” Nicht zu glauben, sie haben das damals tatsächlich getan.