Orlando/Essen. .

Sie nennen ihn „Tilli”. Die Abkürzung von „Tilikum” ist das und klingt ganz harmlos. Doch das täuscht. „Tilli” ist ein Orca. Der angeblich größte Killer-Wal, der derzeit in Gefangenschaft lebt. Vor den Augen entsetzter Zuschauer hat er jetzt seine Trainerin getötet.

Die Sea World in Florida am Mittwoch (Ortszeit). Gleich soll die nächste Show im Meerestierpark beginnen. Die Ränge am großen Meerwasserbecken sind gut besetzt. Genau wie die Unterwasser-Panoramafenster. Wie schon hunderte Male zuvor hat Dawn Brancheau – von einer Plattform im Wasser aus – den Zuschauern erklärt, was sie in den nächsten Minuten sehen werden. Hat erzählt über Orcas im Allgemeinen und „Tilli” im Speziellen. Über fünf Tonnen wiegt der Killer-Wal. Vielen Angestellten im Park ist er deshalb nicht ganz geheuer. Und auch deshalb, weil bereits zwei Menschen in seiner Nähe gestorben sind.

Er war einer von drei Orcas, die 1991 für den Tod eines Dompteurs im Sealand-Zentrum in der kanadischen Stadt Victoria verantwortlich gemacht wurden. Acht Jahre später wird in Tillis Becken in Orlando ein toter Mann gefunden, der außerhalb der Öffnungszeiten dort schwimmen gegangen war. „Ein Unfall” bedauern die Park-Manager damals, warnen die Parkpfleger aber gleichzeitig davor, zu Tilli ins Becken zu steigen.

Brancheau weiß das alles. Doch Orcas sind ihr Leben. „Ich wollte schon als Kind mit ihnen arbeiten”, hat die 40-Jährige immer wieder erzählt. Längst hat sie sich diesen Jugendtraum erfüllt. Seit 16 Jahren arbeitet sie in der Sea World.„Eine unsere erfahrensten Trainerinnen”, nennt sie Park-Manager Dan Brown.

Doch am Mittwoch nutzt diese Erfahrung nichts. Gerade noch hat Dawn dem Orca den Kopf gestreichelt, da taucht der Wal nach Augenzeugenberichten ins Becken ab. Er dreht eine kurze Runde, schießt plötzlich aus dem Wasser, packt seine Trainerin an der Hüfte und schüttelt sie hin und her. Dann zieht er sie vor den Augen des entsetzen Publikums in die Tiefe. Nur Dawns-Schuhe bleiben am Beckenrand zurück. Verzweifelt versucht Brancheau, an die Oberfläche zu gelangen. Doch immer wieder zieht der Orca sie nach unten, schwimmt mit ihr kreuz und quer durch Becken.

Sirenen kreischen. Angestellte führen die Zuschauer nach draußen. Kurz darauf gelingt es, Brancheau aus dem Wasser zu ziehen. Doch es ist zu spät. Sie ist ertrunken.

Seitdem herrscht Ratlosigkeit in der Sea World. „Wir wissen nicht, was im Kopf des Orcas vorgegangen ist”, sagt ein Parksprecher. Berichte, dass Tilli schon in der Show zuvor nicht auf die Anweisungen seiner Trainerin gehört hat, hält er für unwahrscheinlich. „Dann hätte Dawn ihn nicht am Kopf gekrault.“ Vielleicht, mutmaßen US-Experten, habe Tilli „einfach nur spielen wollen”.

Unklar ist, was mit dem Wal geschieht. In Freiheit kann er nach Ansicht von Experten nicht überleben. Den Orca im Park zu töten, ist für Brancheaus Schwester Diane Gross aber auch keine Alternative. „Das hätte”, glaubt sie, „Dawn nicht gewollt.”