Bremen. .

Eine Hauptkommissarin, die nach einem Sturz ungewöhnliche Dinge tut, ein Kommissar, der alte Freunde nicht mehr wiedererkennt, ein Film, bei dem man nicht weiß, warum er so heißt wie er heißt – der Bremer Tatort „Königskinder“ nervt den Zuschauer.

Die Bremer Polizei will Einbrechern auf die Spur kommen, die in ihrer Stadt schon dreimal zugeschlagen haben. Und jetzt gibt’s auch noch diesen Fall in Bremerhaven: Der Einbruch in das mächtige Haus der Mesenburgs. Der Kriminelle Timo Zeschnig wurde auf frischer Tat von Markus Mesenburg (Oliver Stokowski) erschossen, Sonja Mesenburg wurde erwürgt, zwei Einbrecher konnten fliehen.

Bernd Petermann (Dirk Borchardt) von der Bremerhavener Sitte ist als erster Polizist am Tatort und nebenbei der wütend-trauernde Bruder der Toten. Auch dem Bremer Kommissar Nils Stedefreund (hervorragend: Oliver Mommsen) ist die Ermordete sehr gut bekannt, während seiner Polizeiausbildung waren die beiden ein Paar. Man kennt sich also bei diesem von Radio Bremen für die ARD produzierten Film „Königskinder“.

Verwirrt und belustigt

Hauptkommissarin Inga Lürsen (Sabine Postel) und Kollege Nils Stedefreund (Oliver Mommsen) schauen in der Firma von Markus Mesenburg (Oliver Stokowski/links) vorbei. Rechts die kühle Sekretärin Edith Siemers (Bibiana Beglau).
Hauptkommissarin Inga Lürsen (Sabine Postel) und Kollege Nils Stedefreund (Oliver Mommsen) schauen in der Firma von Markus Mesenburg (Oliver Stokowski/links) vorbei. Rechts die kühle Sekretärin Edith Siemers (Bibiana Beglau).

Da Hauptkommissarin Inga Lürsen (Sabine Postel) im Polizeipräsidium ausgerutscht und spektakulär mehrere Meter die Treppe hinuntergestürzt ist, schafft sie es nicht zum Haus der Mesenburgs. Sie übersteht den Sturz ohne Schrammen und äußere Verletzungen – wackelt fortan aber verwirrt und belustigt durch den Tatort. Im Krankenhaus sagt Arzt Adrian Plöger, dass Lürsen Riesenglück hatte: „Sie hätten querschnittsgelähmt, im Koma oder tot sein können.“ – „Oh“, antwortet Lürsen und beschließt, ab sofort entspannter durchs Leben zu gehen.

Schauspielerin Sabine Postel freute sich sehr, dass sie in ihrem siebten Bremer Tatort ihre Rolle ausweiten durfte („Es ist schön, eine neue Seite von Inga Lürsen zu entdecken“), doch die „Königskinder“-Lürsen kommt albern und nervig rüber. Die eigentlich bodenständige und nüchterne Postel (55) wirkt treppensturzentrückt so, als wolle sie der jungen Jutta Speidel in den Klamaukfilmen der Siebziger nacheifern.

Lürsen steht etwa gedankenverloren am Kaiufer, steckt ihre Finger immer wieder in eine aufgepulte Orange, riecht an ihr und leckt die Finger ab. „Es ist so ein schöner Tag“, schwärmt sie und überlässt ihrem Kollegen Stedefreund die Vernehmung eines Obdachlosen. Ein anderes Mal philosophiert sie: „Es liegt so nah beieinander – Tod und Leben.“ Da wundert sich der Zuschauer, dass der erfahrenen Hauptkommissarin diese Erkenntnis erst nach einem eigenen Treppensturz gekommen sein soll.

Romantische Nacht

Wie auch immer: Den Fall lösen Lürsen/Stedefreund natürlich, auch wenn beide Probleme haben und angeschlagen sind. Lürsen grinst vor sich hin und lässt sich gar zu einer romantischen Nacht mit Arzt Plöger plus gemeinsamer Dusche am Morgen danach hinreißen. Stedefreund wird von seiner alten Freundin Edith Siemers (Bibiana Beglau) überrascht, die mittlerweile Mesenburgs Sekretärin ist und mal mit Krawallpolizist Petermann zusammen war.

Inga Lürsen lässt’s ruhiger angehen - und pult mit den Fingern in einer Orange.
Inga Lürsen lässt’s ruhiger angehen - und pult mit den Fingern in einer Orange.

Als sich der Fall, der schon abgehakt schien, tatsächlich zuspitzt, verkleidet sich Lürsen im Krankenhaus-Finale mit einer dunkelhaarigen Perücke zu einer Osteuropäerin und schlüpft unter eine Bettdecke. Stedefreund, der hinter einem Vorhang hockt, macht’s zu einer listigen Falle, durch die der Fall und die vielen Morde aufgeklärt werden. Am Ende sind’s sechs Tote.

Handwerklicher Fehler

Warum dieser unbefriedigende Tatort „Königskinder“ heißt, versucht Regisseur Thorsten Näter zu erklären: „Wir haben nach einem Titel gesucht, der sich nicht vordergründig auf das bezieht, was im Film passiert, sondern auf das, was sich im Inneren unserer Darsteller abspielt.“ Die verschütteten Sehnsüchte der Menschen, die nicht zusammen kommen können, seien so etwas - wie in dem alten Volkslied „Königskinder“ eben, so Näter. Und die Abgründe, vor denen sich andere Menschen befinden.

Der handwerkliche Fehler, dass Kommissarin Lürsen von ihrem Büro in einer schwarzen Lederjacke zu einem Einsatz am Hafen fährt, dort in einer braunen Lederjacke ankommt und diese in der nächsten Szene zurück im Büro wieder schwarz ist, lässt den Abgrund hier jedoch sehr tief erscheinen.