Peking. .

Eigentlich hatten Pekings Funktionäre den Chinesen versprochen, dass so etwas nie wieder passieren würde. Doch jetzt erschüttert ein neuer Milchskandal das Land. Die Regierung kündigt harte Strafen an.

Nie wieder sollten Melamin-verseuchte Milchprodukte die Gesundheit der Chinesen bedrohen, hatten Pekings Funktionäre nach dem Skandal um die gepanschte Babymilch im Jahr 2008 versprochen. Halten konnten sie dieses Versprechen nicht.

Damals waren nach offiziellen Angaben mindestens 300.000 Kinder an Nierensteinen erkrankt und sechs Babys gestorben: 22 Molkereien, darunter auch Staatsbetriebe, hatten ihre Milch mit Wasser gestreckt und die giftige Industrie-Chemikalie Melamin hinzugefügt, um einen höheren Proteingehalt vorzutäuschen. Die Behörden vertuschten die Gesundheitsgefahren, um die gute Laune bei den Olympischen Spielen nicht zu verderben.

Versprechen Makulatur

Jetzt zeigt sich: Die Versprechen der Regierung waren Makulatur. Gesundheitsminister Chen Zhu räumte in dieser Woche ein, dass in Teilen des Landes wieder Lebensmittel mit Melamin - darunter Speiseeis und Kondensmilch - in den Geschäften gefunden worden sind. Die Zentralregierung habe „acht Inspektionsteams in 16 Provinzen geschickt“, um die Situation zu untersuchen, gab er bekannt. Die Hersteller und säumige Kontrolleure würden „hart bestraft“.

Was bislang bekannt ist: Mindestens fünf Milchfirmen sollen ihre 2008 beschlagnahmte Melamin-Milch nicht vernichtet, sondern gebunkert und heimlich peu a peu wieder auf den Markt geworfen haben. Der Anreiz war offenbar größer als die Furcht, erwischt zu werden. Die Nachfrage nach Milchprodukten wuchs in China auch im vergangenen Jahr stark, es wurden 32 Prozent mehr verkauft als 2008.

Als im Dezember in verschiedenen Provinzen und Städten Molkerei-Mitarbeiter festgenommen wurden, hieß es zunächst: Kein Grund zur Sorge. Die Melamin-Produkte seien noch nicht in die Geschäfte gelangt.

Behörden schwiegen

Wie chinesische Journalisten herausfanden, wussten die Shanghaier Behörden aber schon monatelang von den Melaminmilch-Verkäufen der örtlichen Firma Shangda - und schwiegen erneut.

Im Jahr 2008 reagierte die Regierung auf den Zorn und das Entsetzen in der Bevölkerung, indem sie an einer der 22 Firmen ein Exempel statuierte: Mitarbeiter des Sanlu-Konzerns und ihre Zulieferer kamen vor Gericht. Zwei Todesurteile wurden gefällt, 19 Personen zu Gefängnis verurteilt. Einige Beamte verloren ihren Job, weil sie den Skandal verheimlicht hatten. Ein neues Gesetz zur Lebensmittelkontrolle trat in Kraft.

Gleichzeitig allerdings wiesen die Zensoren die Zeitungen an, nicht mehr über das Problem zu berichten. Neue Kranken- oder Todeszahlen gab es nicht mehr. Eltern betroffener Kinder wurden eingeschüchtert oder sogar verhaftet, weil sie eine umfassende Aufklärung forderten.

Mehrere Funktionäre, die wegen des Melamin-Skandals in Ungnade fielen, landeten weich. Sie erhielten schon bald wieder neue, wichtige Aufgaben.