Essen. .

Eigentlich hätte der Lothar ja für seine Verdienste ums Vaterland längst einen Orden verdient, mindestens. Aber wie schäbig Deutschland mit seinem größten Sohn umgeht, konnte man gestern mal wieder sehen. Kaum hatte Ehefrau Liliana per „Bild“-Zeitung die Scheidung eingereicht, kursierten schon die ersten Witze. Wie das jetzt mit der Gütertrennung laufe, wo doch der Lothar der Liliana gerade noch die neuen Brüste spendiert hätte, fragte etwa der WDR ratlos, und allüberall an den Kaffeemaschinen wurden sie zitiert, die blechernen Sprüche eines großen Fußballers, der im richtigen Leben auf den erlösenden Doppelpass wartet.

Also sprach der Lothar, als er wieder einmal irgendwo Trainer werden sollte, natürlich bei einem Hammerklub wie Kernig Karthago oder Tapfer Tupfingen: „Gewollt hab’ ich schon gemocht, aber gedurft haben sie mich nicht gelassen!“ „I hope, we have a little bit lucky“, steuert die Abteilung Ausland dann begeistert bei, während die Kollegen vom Ressort Philosophie lässig den Spruch „Die Realität ist oft grausamer als die Wirklichkeit!“ beisteuern, der doch, wie jeder weiß, in Wirklichkeit von Berti Vogts stammt, einem anderen Weisen aus den unendlichen Tiefen des Fußball-Universums.

Jeder weiß eben was über diesen Lothar Matthäus, ob in der Firmenkantine oder im Mediengewitter, und wenn es nur ein dummer Spruch ist. Und immer geht es heute nicht um den genialen Fußballer, sondern um Lothar, den Weiberheld. „Loddar“, den Dampfplauderer, den jeder ungestraft auf die Schippe nehmen darf. Auch der Mann vom Radio, der sich einst am Telefon als Mitarbeiter der Staatskanzlei ausgab und ihm einen Job als Sportminister unter Edmund Stoiber anbot. Was der Lothar natürlich prompt akzeptierte.

Matthäus weiß vielleicht sogar um die Gefahr, ähnlich wie Boris Becker als Schießbudenfigur des Boulevard-Rummels zu verenden. „Vielleicht sollte ich weniger reden“, hat er mal in einem Moment der Besinnung geseufzt. Vernunft ist aber nicht so einfach.

Auf seiner Homepage finden sich deshalb belangloses Zeug wie der Eintrag vom 28. Oktober 2009, „Lothar Matthäus geht nicht nach Buenos Aires“, als wenn das noch jemand interessieren würde.

So kriegt man sich und sein Image nicht in den Griff. Der gestelzte Umgang mit der eigenen Legende reizt die Umgebung außerdem zur Denkmalsschändung. Die Leute lachen sich schimmelig, wenn Matthäus wieder mal von einem Comedian veräppelt wird, seine Sprachakrobatik als „Dr. Phil“ durch den Kakao gezogen wird. „Das ist der Lothar Matthäus, den wir sehen wollen“, so was hat er wirklich mal den Reportern in die Blöcke diktiert. Und seitdem offenbar nix dazu gelernt.

Selbstironie kommt in diesem geschlossenen Kreislauf nicht vor, aber zur Zeit gibt es sowieso wenig zu lachen. Die vierte Ehe ist so schnell gescheitert, dass die Sprüche von der Hochzeitsfeier noch in allen Ohren klingen.

Diesmal ist es die Richtige, hatte Lothar versprochen, und den Freunden von der Bildzeitung Zeugs wie „Wir wollten ein Zeichen für unsere Liebe setzen“ anvertraut. Nüchterne Beobachter witterten schon im schwülstigen Kitsch der Hochzeitsfestivitäten den Keim des Verderbens. Schauplatz Las Vegas, das Ja-Wort am Neujahrstag auf der Terrasse des Bellagio, wo Hollywood „Ocean’s Eleven“ gedreht hat, und beim Kuss schießen die Fontänen des Springbrunnens in die Höhe, oh je. Das konnte natürlich nicht klappen.

Wie es jetzt weitergeht mit dem Lothar? Gestern, am Tag der Trennung, war er erstmal ungewohnt kleinlaut. Gab der „Bunten“, die ihn trotz Stimmungstiefs erreichte (oder er die „Bunte“?) zwar ein Interview, verzichtete aber auf die dicken Sprüche und blieb diplomatisch. So hätte das auch Franz Beckenbauer gemacht, ein ähnlich großer Fußballer, der allerdings den Befreiungsschlag in die nächste Karriere ganz anders meisterte. Beckenbauer ist deshalb längst der Kaiser. Matthäus aber immer noch der Loddar.