Berlin. .

Ulrich Wilhelm war ein paar Tage im Amt, da nahm ihn Angela Merkel zur Seite und bat, er möge von seinen Kindern lernen, wie man schneller SMS verschickt. „Nach wenigen Tagen war das Routine“, erzählt er.

Wer für die Kanzlerin sprechen will, muss sich auf Merkel einlassen. Das gilt für Wilhelm, der sich gestern verabschiedete, wie für seinen Nachfolger, den ZDF-Moderator Steffen Seibert. Wenn es nicht läuft, muss es an der Kommunikation liegen. Es ist kein Wunder, dass die Sprecher der Kanzler bisher im Schnitt 2,5 Jahre im Amt waren.

Wilhelm ist die Ausnahme. Zum einen geht er von sich aus. „Er tritt seinen Traumjob an“, weiß Kanzleramtschef Ronald Pofalla. Wilhelm wird zum 1. Februar 2011 Intendant des Bayrischen Rundfunks. Der Bayer kehrt in sein geliebtes München zurück, zu seiner Frau und den zwei Kindern. Zum anderen war er vier Jahre und neun Monate im Amt. Nur drei Sprecher haben sich vor ihm länger im Sattel gehalten. Wohlgemerkt: in 60 Jahren.

Als sich der 49-jährige Wilhelm vor der Bundespressekonferenz verabschiedete, war der Saal voll: An die 200 Journalisten, und das in der Sommerpause. Wilhelm ist nicht deshalb beliebt, weil er in den wöchentlichen Auftritten vor den Berliner Journalisten stets redselig, informativ und, geistreich gewesen wäre. Er konnte humorlos abblocken, oder frank und frei bekennen: „Dazu kann ich nichts sagen.“

Er ist beliebt, weil er fair und von entwaffnender Freundlichkeit ist. Eine enge Mitarbeiterin schwört, dass sie ihn nie wütend erlebt hat.

Seine größte interne Leistung war die Organisation der 60-Jahr-Feier der Bundesrepublik, die sein Amt binnen weniger Wochen stemmen musste. Seine Schwäche war die Leitung des Presseamts. Dort hörte man die Klage, dass er zu selten für die Verwaltung da war. Dann war Wilhelm meistens bei der Kanzlerin. Die Nähe zu ihr war sein Trumpf.

Merkel lässt Nähe zu. Und sie bevorzugt in ihrem Umfeld einen bestimmten Typ, den Wilhelm verkörpert: diskret, gescheit, uneitel, unaufdringlich; und noch charmant.

Man muss eine eigene Meinung haben, darf sie nicht verhehlen. Aber wie ein Sparringpartner beim Boxen muss einem stets bewusst sein, wem der Ring gehört: Merkel, allein ihr.

Eitle Journalisten

Wilhelms Abgang hat sie getroffen. Sie verliert ungern ihre Stimme. Die besten Jahre, als die große Koalition regierte und Deutschland international als Gastgeber mehrerer Gipfel im Fokus stand, nahm er mit. Nun geht er zu einem Zeitpunkt, wo Merkel mehr denn je einen Erklärer ihrer Politik bräuchte.

Sie hat seine Nachfolge vor sich hergeschoben und sich gegen den Gedanken gesträubt, einen Journalisten zu nehmen. Das ist eine Berufsgruppe, die ihr zu eitel ist. Wilhelm, den sie 1990 als Journalisten kennenlernte, war Jurist und hatte in Bayerns Staatsregierung viel Erfahrung mit einer Behörde gesammelt.

Man war in Berlin überrascht, als ihre Wahl auf Seibert fiel. Aber wie zu hören ist, war er die erste Wahl. Oder besser: Der Erste auf einer Namensliste.

Schon beim ersten Treffen mit Merkel passte es gleich. Die Chemie ist bei ihr – Loyalität vorausgesetzt – entscheidend. Es muss Spaß machen, sich mit jemanden zu unterhalten. Ein Sprecher ist zugleich ein Berater. Bei allem, was sie tut und sagt, hat Merkel immer die Vermittlung im Auge, die Medien. Wie kommt das an?

Wie Robert Redford

Darum kümmert sich alsbald Seibert, der ein Jahr älter als Wilhelm, aber genauso alert und politisch sogar geruchsneutraler ist. Er wird mit unterschwelliger Skepsis erwartet. Das will nichts heißen. Es mag sich zwar keiner mehr daran erinnern.

Aber als Wilhelm antrat, war er in Berlin ein unbeschriebenes Blatt. Er machte einen smarten Eindruck, und bald machte das Wort vom bayrischen Robert Redford die Runde. Heute schwingt nichts Abschätziges beim Vergleich mit dem US-Star. Zumindest das eigene Image hat er korrigiert.