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Der Junge ist tot. Es ist ein ostdeutscher Rastplatz bei Leipzig. In westdeutscher Kleidung liegt auf der Rückbank eines Mercedes die Leiche eines kleinen Jungen. Über ihm hängt sein Vater. Er hält ihn nicht im Arm, keine Tränenbäche fließen über das Gesicht. Nein, er filmt ihn. Der Vater ist Kameramann Nils-Peter Mahlau – und der Junge eigentlich seine Tochter Petra. Vor fast genau 40 Jahren war sie die erste „Tatort“-Leiche.

„Man hatte mir ganz dick Wimperntusche aufgetragen und einen klaren Befehl gegeben“, erzählte Petra Mahlau vor kurzem dem „Spiegel“. „Nur nicht zwinkern!“ Die Erinnerungen der ersten Leiche der erfolgreichen Krimireihe sind noch lebendig. Sie, das dunkelhaarige Mädchen, spielte ihn, den blonden Jungen. Weil auch ihr fünfjähriger Bruder Boris Mahlau, blond, eine Sprechrolle ergattert hatte – als Halbbruder der Leiche.

Die blonde Perücke machte Petra Mahlau nur beim Dreh im Sommer 1970 nichts aus. Am 30. November, dem Tag nach der Ausstrahlung, änderte sich das schneller, als sie die Premierenfolge „Taxi nach Leipzig“ aussprechen konnte. „Ich durfte den ,Tatort’ (mit Walter Richter als Kommissar Trimmel, Red.) nicht sehen, weil meine Eltern uns Kinder vorher ins Bett geschickt hatten“, verrät sie. Einige Klassenkameraden von der Grundschule dagegen durften. Und denen hatte sie stolz erzählt, wann, wo und wie sie zu sehen sein würde. „Du hast gelogen“, hieß es. „Du warst nicht im Film, nur dein Bruder!“ Wegen der Perücke hatte sie in der drei Sekunden kurzen Sequenz keiner erkannt.

Honorar: ein Tag schulfrei

Seit Petra Mahlau hat es mehr als 760 „Tatorte“ mit noch mehr Leichen gegeben. Einige, die besonders viel Schaulust hervorriefen. Wie der Junge, der von seiner Mitschülerin im Wald erschlagen wurde, nachdem er sie wegen der Affäre mit einem Lehrer erpresst hatte („Reifezeugnis“, 1977). Oder wie die junge Frau türkischer Herkunft, die vermeintlich nach einem Ehrenmord tot in ihrer Wohnung aufgefunden wurde („Familienaufstellung“, 2009). Andere mit weniger spektakulären Auftritten. Wie der „Junge“ mit der blonden Perücke.

Petra Mahlau ist inzwischen 49.Kein Superstar in Blockbustern aus Hollywood, sondern Psychotherapeutin in einer Beratungsstelle bei Hamburg. Aussorgen konnte sie mit ihrem Kurzauftritt im „Tatort“ natürlich nicht. Neben einem Tag schulfrei verdiente sie sich aber immerhin eine unbezahlbare Ehre. Das Recht zu sagen: „Ich war die erste!“