München. Sat.1-Chef Andreas Bartl will verkrustete Strukturen in seiner Branche aufbrechen. Was er mit seinem Sender vorhat, warum er sich Rundfunkgebühren auch für Privatsender vorstellen kann, warum die Generation 50+ auch für TV-Werbung interessant ist, verriet er im Gespräch mit Jürgen Overkott.

Sie haben den Chefsessel bei Sat.1 in einem Jahr mit Olympischen Winterspielen und Fußball-Weltmeisterschaft übernommen. Sind Sie dabei, den Stein des Sisyphos zu rollen?

Andreas Bartl: (lacht) Wir können uns das nicht aussuchen. Mit der Konkurrenz der Olympischen Winterspiele sind wir ganz gut zurechtgekommen. Mit der Fußball-Weltmeisterschaft wird es hoffentlich genau sein. Aber mit großen Sprüngen bei den Marktanteilen rechne ich natürlich nicht.

Man könnte die WM aber auch als Versuchslabor für Kontrastprogramme nutzen.

Bartl: Nein, das sehe ich anders. Die WM ist ein derart medienwirksames Ereignis, dass es unheimlich schwer ist, für andere Formate öffentliche Aufmerksamkeit zu finden.

Sie haben eine Programm-Offensive gestartet. Glauben Sie, dass Sat.1 wieder als innovativ wahrgenommen wird?

Bartl: Die Marke ist stark. Es wäre schön, wenn wir den Zustand von 2005 wieder erreichten, als wir 12,3 Prozent erzielt haben. Damals konnten wir die Rücklichter von RTL ohne Sehhilfe sehen. Das war die Zeit, als wir mit Programmen wie “Genial daneben” und “Schillerstraße” tatsächlich etwas hatten, womit wir den Mitbewerbern voraus waren.

Sie haben als Hauptzielgruppe die 30- bis 59-Jährigen beschrieben. Nach der traditionellen Vorstellungen des Fernsehmarktes ist der Mensch ab 49 nicht mehr werberelevant. Sind Sie gerade dabei, neue Regeln aufzustellen?

Bartl: Die Diskussion wird schon seit längerem geführt. Die wenigsten Werbekunden buchen tatsächlich 14 bis 49. Tatsächlich richten sie sich an viel enger definierte Altersgruppen. Und tatsächlich gibt es Werbekunden, die die Gruppe 30 bis 59 anpeilen. Aber: Sie wollen für das Alterssegment 49 bis 59 nicht zahlen.

Dabei ist es doch so, dass 50-Jährige über so viel Geld verfügen wie nie zuvor: Oft ist das Haus abbezahlt, und die Kinder sind aus dem Haus.

Bartl: Das wissen wir auch, und die Werbewirtschaft weiß es auch. Aber momentan bekommen Werbekunden die Altersgruppe über 49 fast geschenkt. Aber unser Ziel ist es, die Reichweiten bei 50+ besser zu kapitalisieren.

"Nachrichten sind Pflicht"

Freundlich beschrieben, stagniert der Werbemarkt. Auf diesem Hintergrund gibt es Stimmen, die verlangen, auch den Privatsendern einen Teil der Rundfunkgebühren zukommen zu lassen, damit auch sie, beispielsweise, ihrem Informationsauftrag nachkommen können. Was sagen Sie dazu?

Bartl: Information ist teuer. Andererseits sind Nachrichten für einen Sender mit einer gewissen Relevanz Pflicht. Nachrichten gehören für mich einfach dazu. Unser Angebot sieht so aus, dass der Zuschauer bei uns im Prinzip alles bekommen kann. Deshalb finde ich den Gedanken, die Privaten an den Gebühren zu beteiligen, zumindest interessant. Wenn ich sehe, dass die Öffentlich-Rechtlichen über acht Milliarden haben, dann gibt es da ein deutliches Ungleichgewicht. Alle Privatsender zusammen kommen auf etwas über sechs Milliarden. Ich sehe auch nicht ganz ein, warum es immer mehr öffentlich-rechtliche Sender gibt. Denken Sie an die digitalen Spartenkanäle wie ZDFneo oder EinsPlus, die uns direkt Konkurrenz machen. Ich glaube allerdings nicht daran, dass der Plan, Privatsender an Rundfunkgebühren zu beteiligen, eine große Erfolgsaussicht besitzt. Die Öffentlich-Rechtlichen haben unbestritten einen gesellschaftlichen Auftrag, und sie machen teilweise tolle Programme, die ich selbst gerne sehe. Mir geht es nur darum, die Auswüchse zu bekämpfen.

Dazu passt die Diskussion, den öffentlich-rechtlichen Rundfunk werbefrei zu machen. Würde Ihnen das nützen?

Bartl: Natürlich würden wir auch davon profitieren, wenn ARD und ZDF auf die rund 500 Millionen aus Werbeeinnahmen verzichteten. Diese würden sich aber sicher auf den ganzen Markt verteilen. Grundsätzlich wäre ein Werbeverzicht also gut.