Essen. Im wahren Leben werden traditionsreiche Klosteranlagen aufgegeben, weil die hochbetagten Ordensfrauen die Anlagen nicht mehr bewirtschaften können. In den TV-Serien jedoch springen die jungen, hübschen, pfiffigen Nonnen in malerischen Klöstern geradezu um die Wette.
Die zweite Episode von „Die Nonne und der Kommissar” (Mittwoch, ARD, 20.15 Uhr) ist ein Musterbeispiel dafür.
Schwester Camilla (Ann-Kathrin Kramer) in dem idyllischen Kloster Marienthal ist eine eigenwillige, patente, aber auch nervige, nah an der Grenze zum Albernen agierende Serien-Nonne. Sei's drum, sie steht nicht nur mit beiden Beinen auf dem Boden dieser Welt, sie kann auch noch Verbrechen aufklären. Eine Fähigkeit, die Kommissar Josef Baumert (Günther Maria Halmer), ihr weltlicher Gegenpart, zuweilen entschieden die Laune verdirbt.
In der Folge „Todesengel” geht es um einen Einbruch in das Kloster. Eine Mitschwester wurde bewusstlos geschlagen, aber weder im Vorratsraum, noch in der Kasse fehlt irgendwas. Natürlich ist es Schwester Camilla, der auffällt, dass an einer wertvollen Engelsfigur im Kreuzgang manipuliert wurde. Regisseur Hajo Gies („Schimanski”, „Kommissar Rex”) entwirrt die Fäden mit leichter, komödiantischer Hand. Halmer als kauziger Kommissar Baumert glänzt mit trockenen Sprüchen und bildet mit seiner in sich gekehrten Art einen erfrischenden Kontrast zur allzu vordergründigen Nonne.
Das Religiöse hat Hochkonjunktur
„Die Nonne und der Kommissar” ist jedoch längst nicht die einzige TV-Serie, in der die Kirche mitspielt. Ganz im Gegenteil – seit die Kirchenbänke leerer werden, hat das Religiöse im Fernsehen Hochkonjunktur, man denke nur an „Oh Gott, Herr Pfarrer”, die Pfarrerserie „Mit Leib und Seele” oder an „Um Himmels Willen”.
Für Ulrich Spieß vom Grimme-Institut in Marl ist das jedoch kein Widerspruch. Auch wenn Kirchen leerer werden, gebe es eine „große Aufgeschlossenheit in der Gesellschaft” für ethische und religiöse Fragen, für alles, was Orientierung biete, für Werte.
Sicherlich – Spielfilme, in denen pfiffige Nonnen Morde aufklären, seien in einen weniger komplexen intellektuellen Hintergrund eingebettet, „aber sie sind ein gangbarer Weg, Schwellenängste abzubauen”. Davon ist der Medienkritiker, der auch Presbyter in einer evangelischen Kirchengemeinde ist, überzeugt. Den Einwand, da werde allzu stark idealisiert, lässt Spieß nicht gelten. „Ich habe kein Problem damit. Wir haben so viel unheile Welt um uns herum – das Stück heile Welt bin ich durchaus bereit, zu akzeptieren, solange es nicht gerade kitschig wird. Der Zuschauer muss schon ernst genommen werden. Und außerdem: Es muss ja auch nicht jede Serie einen Grimme-Preis kriegen.”