Essen. Deutschlands erfolgreichste Filmproduzentin Regina Ziegler steigt wieder ins Kino-Geschäft ein. Ihr Vorzeigeprojekt "Henri IV" feiert am 28. Februar in der Essener Lichtburg seine Deutschland-Premiere. Jürgen Overkott sprach mit der 65-Jährigen über Downloads, Popcorn und Religionstoleranz.
In Zeiten des Gratis-Downloads im Internet steigen Sie wieder mit Macht ins Kino-Geschäft ein. Sind Sie, um einen aktuellen Filmtitel zu bemühen, ein „Dinosaurier“?
Regina Ziegler: Bevor Sie mich mit einem „Dino“ vergleichen, sollten Sie sich mal meine Biografie ansehen: Ich habe mit Kino-Filmen angefangen. Und dann, ja, das gebe ich zu, habe ich auch Fernsehfilme produziert. Aber von den 440 Filmen, die Ziegler-Film produziert hat, sind 54 fürs Kino.
Noch mal: Sie haben eine eigene Firma für Kino-Produktionen gegründet und zünden damit die zweite Stufe. Warum?
Ziegler : Wir haben in unserer Firma eine neue Abteilung gegründet, nämlich Ziegler Cinema, um die Sujets zu trennen. Wir entwickeln auf der einen Seite Kino-Stoffe, und auf der anderen Seite kümmern wir uns weiter ums Fernsehen. Der Unterschied zwischen Kino und Fernsehen wird immer konkreter.
Woran machen Sie das fest?
Ziegler: Die Etats bei Fernsehproduktionen werden reduziert, und man kann davon ausgehen, dass mehr Kammerspiele produziert werden.
Und im Kino?
Ziegler: Die Fernsehbilder haben nicht dieselbe Größe wie im Kino. Ich habe mich kürzlich in eine Pressevorführung von „Henri 4“ geschlichen. Da war die Leinwand zwölf Meter breit und sechs Meter hoch. Das war ein Wahnsinn! Das sind die Bilder, an denen ich mich erfreue und die mich nachhaltig bewegen.
Aber die Fernsehbildschirme werden doch auch immer größer.
Ziegler : Das stört mich überhaupt nicht. Ich glaube, dass die Zuschauer die Unterschiede immer noch sehr genau erkennen. Das Kino bietet ein Gemeinschaftserlebnis. Das ist wunderbar. Ich habe das letztens nach der „Emmy“-Verleihung für unseren ZDF-Dreiteiler „Die Wölfe“ gemerkt. Ich habe mir in New York Emmerichs „2012“ angesehen. Eine Popcorn-Wolke hing im Zuschauerraum, das Knacken war deutlich zu hören. Das Publikum hat eine komödienhafte Stimmung entwickelt. Wunderbar! Ganz nebenbei: Ich habe den Film auch in Deutschland gesehen; da hat keiner gelacht.
Sind die Amerikaner besser drauf als wir?
Ziegler: Beim Publikum auf jeden Fall. In der Branche gelten andere Kriterien. Und die Amerikaner haben ihre Stars, die ihre Qualitäten nur im Kino ausspielen. Das ist in Deutschland etwas schwieriger, allein deswegen, weil Deutsch eben keine Weltsprache ist. Ausländische Filme haben in Amerika eher eine Chance, wenn sie einen Oscar oder einen Golden Globe gewonnen haben.
Amerika hat Kino-Stars, Deutschland Fernsehstars. Lässt sich das ändern?
Ziegler: Na ja, in Deutschland gibt es schon Schauspieler, die sich genau überlegen, was sie fürs Fernsehen und was sie fürs Kino machen. Nehmen wir Ulrich Noethen! Er überlegt sich das ganz genau – wie seine Rolle als König Karl in „Henri 4“. Das ist für mich eine der schwierigsten Rollen, und ich bewundere Ulrich Noethen für seine Schauspielkunst, für seine Brillanz.
Ulrich Noethen ist, zugegeben, ein großartiger Schauspieler, aber das Gegenteil von glamourös.
Ziegler: Die meisten Stars sind unglamourös. Glamourös sind sie, wenn es einen Oscar gibt. Sonst kann man die Schauspieler ganz normal treffen, beispielsweise in Los Angeles in guten Restaurants, und sie reden mit Dir wie mit guten Bekannten.
Wenn das Kino künftig die großen Geschichten macht, bleiben dem Fernsehen dann nur noch die kleinen?
Ziegler: Bitte keine falschen Alternativen. Jeder macht, was er am besten kann: Es gibt ja weiterhin ein Event-Programm. Das wird besonders herausgehoben, Einzelstücke oder Zweiteiler, drei, vier im Jahr, für die es auch einen größeren Etat gibt.
In Deutschland gibt es viele Kino-Koproduktionen mit dem Fernsehen. Bedeutet das eine Formatisierung der Filme nach Fernsehmaßstäben?
Ziegler: Für mich gilt das nicht. Und im Übrigen: Gucken wir nach vorn, nehmen wir „Henri IV“.
Da haben Sie einen Stoff genommen, der seit Jahrzehnten bekannt ist. Müssen Filmproduzenten in Zeiten der Krise auf Nummer sicher gehen?
Ziegler: Auf Nummer sicher können Sie nie gehen. Wenn eine Firma wüsste, wie es geht, hätte Hollywood sie längst in Gold aufgewogen. Ein erfolgreicher Kinofilm muss den Zeitgeist treffen. Was Sie machen können: Es muss ein Kino-Look sein, es muss etwas dabei sein, dass die Zuschauer nachher ihren Freunden erzählen, das ist ein Film, den musst Du gesehen haben, und es müssen große Schauspieler dabei sein – wie bei „Henri 4“.
Aber noch mal zum Stoff.
Ziegler: Ich habe den Stoff schon als 18-Jährige gelesen, als ich noch gar daran dachte, einmal Filme zu produzieren. Ich war begeistert von diesem Stoff um Liebe und Leidenschaft, Politik und Religion. Als ich ihn später produzieren wollte, waren die Rechte vergeben.
Aber mal ehrlich: Ist „Henri IV“ im Grunde kaum mehr als Mantel und Degen?
Ziegler: Ein typisches Vorurteil von Schnellsehern! Das Thema ist nun wirklich pure Aktualität. Henri Quatre kämpfte sein ganzes Leben für Glaubensfreiheit, Toleranz und Menschenliebe. Mitten in einer tödlichen Auseinandersetzung von katholisch und protestantisch. Nordirland, Irak, Philippinen, Nine eleven: Alle reden von Glauben und sie meinen immer nur Macht. Das ist ein leider völlig zeitloses Menschheitsthema. Die Verwicklungen von Religion und Politik. Es wiederholt sich, es wechselt die Kleider, es verhüllt sich immer wieder anders, aber es stirbt nicht. Mit oder ohne Mantel und Degen. Feiner eben mit.
Glauben Sie, dass der Film in Amerika eine Chance hat?
Ziegler: In meinem grenzenlosen Optimismus bin ich sogar sicher. Die guten Kritiken im "Hollywood Reporter" und "Variety" geben mir Mut. In anderen Ländern, wie beispielsweise Österreich, Frankreich, Spanien Russland, Rumänien, wird der Film auch gezeigt. Immerhin ist es mir gelungen, die Hollywood-Größe Hans Zimmer als Komponisten zu gewinnen.
Zum Schluss eine persönliche Frage. Sie arbeiten eng mit ihrer Tochter Tanja zusammen. Wer muss denn im Umgang mit der anderen mehr Geduld haben: die Mutter oder die Tochter?
Ziegler: Oh, wir sind beide sehr ungeduldige Menschen. Aber jede von beiden macht ihre eigenen Projekte. Tanja ist jetzt Mehrheitsgesellschafterin geworden, und das gibt mir ein gutes Gefühl, ich kann mich entspannen. Die Firma ist in den besten Händen, die ich mir denken kann.