Essen. Nun ist es aktenkundig: Pöbel-Juror Dieter Bohlen aus der RTL-Castingshow „Deutschland sucht den Superstar” ist ein Künstler. Das hat das Bundessozialgericht (BSG) in Kassel gestern festgestellt. Das rechtskräftige Urteil kommt den Kölner Privatsender teuer zu stehen.

Die Künstlersozialkasse versichert Künstler im Alter, bei Krankheit und Pflegebedürftigkeit.

Der Richterspruch verdonnert den Sender dazu, für alle Jury-Mitglieder der Show Beiträge an die Künstlersozialkasse abzuführen. Allein für die Jahre 2002 bis 2005 sind insgesamt gut 173 000 Euro fällig. Die Künstersozialkasse hatte aus Kostengründen im Musterverfahren nur diesen Zeitraum eingeklagt.

RTL bezahlte in dieser Zeit rund vier Millionen Euro Honorare an die Jurymitglieder. Dabei schwankten die Zah-lungen zwischen 60 000 Euro und 1,2 Millionen Euro pro Jury-Mitglied und Staffel.

Der Sender sah seine Jury-Mitglieder als „Experten”. Ihre Rolle bestehe nur darin, die künstlerischen Leistungen der Kandidaten-Schar zu beurteilen. Allerdings verpflichteten die Verträge, Bohlen und seine Mitstreiter zu „eigenschöpferischen, höchstpersönlichen Leistungen”.

RTL bleibt anderer Meinung - aber zahlt

Genau daran knüpfe die Sozialgerichtsbarkeit an. Bereits das Sozialgericht Köln hatte RTL zur Zahlung verpflichtet. Die Richter hatten in den Jury-Kommentaren eine freie schöpferische Gestaltung gesehen. Dem Kölner Gericht zufolge dienten die Sprüche („Du guckst wie ich beim Kacken”) vor allem der Unterhaltung.

Der dritte Senat des Bundessozialgerichts teilte die Positionen. Zuvor hatten die Richter Mitschnitte der Show gesehen. Dabei spielten Geschmacksfragen keine Rolle. Im Gegenteil: Der Vorsitzende Richter Ulrich Hambüchen zeigte für einige bissige Kommentare sogar Verständnis. Nach eigenen Worten kann er jetzt sogar nachvollziehen, „bei einigen Gesangskünsten einem die Hutschnur hochgeht“.

Jedenfalls betont das Gericht an der Rolle der Jury den Unterhaltungscharakter. Die Sprüche weisen demnach Elemente von Comedy, Satire, Improvisation und Unterhaltung für ein junges Publikum auf. Was Bohlen & Co. von sich geben, sei der „darstellenden Kunst in Form der Unterhaltungskunst” zuzuordnen.

Der Dortmunder Anwalt Michael Fuß bewertete die Tätigkeit der Jury nach Angaben von „Spiegel Online” bei der Talentsuche als reine Unterhaltung. Bei den Mottoshows sah er jedoch Experten am Werk, „keine Künstler”. „Aber auch eine andere Einschätzungen ist möglich”, meinte Fuß.

RTL-Sprecherin Anke Eickmeyer sagte unserer Zeitung, der Sender habe dem Fall eine grundsätzliche Bedeutung zugemessen. Deshalb sei RTL eine letztinstanzliche Klärung wichtig gewesen, fügte Eickmeyer hinzu. Der Sender muss sich mit der Nachzahlung abfinden – „auch wenn wir in der Sache anderer Meinung sind”.

(Aktenzeichen B 3 KS 4/08 R)