Marl. .

Die Reportage „Sido geht wählen“ ist für den Grimme-Preis nominiert worden. ProSieben habe jüngere Zuschauer ans Thema Politik herangeführt, lobt die Kommission. Auch diverse Krimi-Produktionen sind Anwärter auf die Auszeichnung, die in Marl überreicht wird.

Die Nominierungen für den 46. Adolf-Grimme-Preis stehen fest. Aus den 582 eingereichten Vorschlägen wurden 52 Beiträge für die finale Preisermittlung bestimmt. In der Endrunde werden die Jurys über zwölf Grimme-Preise in den Kategorien Fiktion, Information und Kultur sowie Unterhaltung entscheiden.

Im Bereich Fiktion dominiert der Krimi. Gut ein Drittel der nominierten Einzelfilme stehen für dieses Genre, das allerdings in den besten Produktionen weit mehr ist als Tätersuche oder plakative Inszenierung beliebiger Spannung. Das Spektrum reicht vom sozialpsychologischen Kammerspiel über das Sozialdrama bis zur Milieustudie. Unter den Nominierten sind zwei „Tatorte“: „Altlasten“ (SWR) und „Weil sie böse sind“ (HR). Bei dieser Produktion war die Kommission nicht zuletzt von der überragenden Schauspielkunst von Matthias Schweighöfer beeindruckt.

Matthias Schweighöfer hat die Kommission beeindruckt.
Matthias Schweighöfer hat die Kommission beeindruckt.

Der aktuelle Jahrgang bestätige, dass Krimis im deutschen Fernsehen nicht nur quantitativ, sondern auch qualitativ eine herausragende Stellung einnähmen, erläutert Grimme-Direktor Uwe Kammann. In vielfältiger Form ließen sich dort zeitkritische Stoffe so behandeln, „dass die Zuschauer dies als relevant und markant empfinden“.

Auch bei den Fernsehfilmen konstatierte die Kommission imponierende Schauspielerleistungen und klug inszenierte, konzentriert erzählte Geschichten. So sah sie in „Frau Böhm sagt nein (WDR)“ ein sensibles TV-Spiel zu Managerexzessen in der Wirtschaftskrise mit einer höchst einfühlsam spielenden Senta Berger als Vorstandssekretärin, die sich den neuen Regeln der Gier verweigert. Hervorgehoben wird auch die Umsetzung des aktuellen wie brisanten Themas Afghanistan-Krieg in „Nacht vor Augen“ (SWR), der Geschichte eines traumatisierten Bundeswehrsoldaten, oder in „Klick gemacht“ (BR) - hier in einer Krimireihe: „Polizeiruf 110“.

Bei Mehrteilern und Serien hob die Vorauswahlkommission drei ZDF-Produktionen heraus: das TV-Ereignis „Der Seewolf“, die neue und als charismatisch empfundene Krimi-Figur „Flemming“ und „Die Wölfe“. Ein Lob erhielt die BR-Regionalserie „Franzi“: Provinz, aber nicht provinziell.

Vielfalt mit einem großen Spektrum der Themenbereiche, der Gattungen und der Formate konstatierte die Vorauswahlkommission in der Kategorie Information und Kultur. Dies habe zu einer soliden Basis für die Nominierungen geführt – auch wenn es keine ausgeprägte Neigung gebe, mit neuen Ideen und Personen auch zu neuen Programmansätzen zu gelangen. Vieles wirke vorgestanzt, der Rückgriff auf bloße Prominenz in Gesprächsrunden verhindere oft ein Durchdringen des Themas. Erfreulich wiederum sei, dass sich lange Dokumentarfilme mit klaren Qualitäten im Programm behaupten konnten.

Zu den Produktionen, die für die Endjury nominiert wurden, gehört der „Der innere Krieg“ (ZDF), ein Einblick über eine wachsende Parallelgesellschaft von amerikanischen Irak-Kriegsve-teranen in Deutschland, und „Meine Mütter“ (rbb/HR), eine bewegende Zeitreise und Spurensuche des Filmemachers Rosa von Praunheim nach seinem Ursprung im lettischen Riga.

Kommission vermisst ungewöhnliche Ansätze

Bei Schwerpunktthemen des vergangenen Jahres – 20 Jahre Mauerfall und Bundestagswahl – hat die Vorauswahlkommission ungewöhnliche Ansätze vermisst. Als Ausnahmen lobt sie die Spiegel-TV-Dokumentation „Der letzte Sommer der DDR“ von Thomas Schaefer und „Der Kampf der Kleinen“ (RB/SR), ein Reportage-Kaleidoskop über den Wahlkampf von insgesamt 20 kleinen Parteien. Die WDR-Reihe „die story“ ist bei den Nominierungen wieder vertreten, diesmal durch „Die Armutsindustrie“, eine eindringliche Fallstudie zur privaten Vermarktung der Arbeitslosigkeit.

Bei den Serien und Mehrteilern wurden zwei außergewöhnliche Produktionen nominiert: das innovative Format „Weltbilder spezial – Mit 80.000 Fragen um die Welt“ (NDR) und das alle herkömmlichen Grenzen sprengende Werk „24h Berlin – Ein Tag im Leben“ (rbb/ARTE), bei dem zahlreiche Teams die Menschen der Stadt an einem Tag im September beobachten.

Bei der Unterhaltung schöpfte die Kommission das mögliche Kontingent nicht aus. Mit „Harald Schmidt“ (WDR) – als gelungene Generalüberholung seiner Late-Night-Show beurteilt - und „Krömer – Die internationale Show“ (rbb) kam es zur Nominierung von bekannten Namen und Personen.

Auch in der „Spezial“-Abteilung dieses Wettbewerbskontingents dominieren mit Werner Doyé und Andreas Wiemers “Toll!“ in Frontal 21“ (ZDF) und Bastian Pastewka und Anke Engelke für die parodierende Moderation des Deutschen Fernsehpreises und einen Auftritt bei „Wetten dass ...?!“ bewährte Autoren und Namen. Gelobt wird, dass ProSieben mit „Sido geht wählen“ jüngere Zuschauer ans Thema Politik herangeführt habe, während die ProSieben-Serie „Der kleine Mann“ als fiktionale Unterhaltung überzeuge.

Nachdem nun die Nominierungen feststehen, werden vom 6. bis 11. Februar drei Jurys in den Wettbewerbskategorien Fiktion, Information und Kultur sowie Unterhaltung über die insgesamt zwölf Grimme-Preise entscheiden. Das Grimme-Institut gibt die Auszeichnungen auf einer Pressekonferenz am 10. März in Düsseldorf bei der Landesanstalt für Medien (LfM) bekannt. Die Preisverleihung findet am 26. März im Theater der Stadt Marl statt.