Essen. Das Drama „Der Passfälscher“ erzählt die wahre Geschichte eines jüdischen Grafikers, der wagemutig den NS-Staat austrickst.

Was ist das, Mimikry? „Manche Tiere“, erklärt der 20-jährige Cioma Schönhaus (Louis Hofmann) seinem Freund Det Kassriel (Jonathan Berlin), „nehmen Gestalt oder Farbe der Tiere an, die von ihren Feinden gefürchtet werden.“ Cioma ist ein Meister der Mimikry, der täuschenden Nachahmung. Souveränes Auftreten in der Öffentlichkeit und bei helllichtem Tag ist für ihn der beste Garant für Sicherheit, und er legt dabei eine Chuzpe an den Tag, eine Dreistigkeit, die ihresgleichen sucht. In ihrem Kinofilm „Der Passfälscher“ (ab sofort in der Arte-Mediathek sowie am 3. Mai um 20.15 Uhr auf Arte), der seit der Uraufführung bei der Berlinale 2022 auf vielen Festivals in aller Welt präsentiert wurde, erzählt Maggie Peren (Buch und Regie) eine unglaubliche Geschichte, die man doch glauben muss. Denn sie ist wahr. Es geht um den jüdischen Grafiker Cioma Schönhaus (1922-2015), der während der NS-Zeit erst andere Verfolgte und schließlich auch sich selbst mit gefälschten Dokumenten vor dem Konzentrationslager rettete.

Berlin, im Kriegswinter 1942/43. Det quartiert sich bei Cioma ein, der allein in der luxuriösen, teilweise beschlagnahmten Wohnung seiner Eltern lebt. Die sind, wie auch Dets Eltern, vor ein paar Tagen „nach Osten verbracht“ worden. Dass die Deportation die jungen Männer nicht sonderlich zu belasten scheint, ist schon irritierend. Aber Cioma, der wegen seiner Arbeit in einem Rüstungsunternehmen vorläufig „freigestellt“ worden ist, und Det sind einfach fest entschlossen, sich von den Nationalsozialisten nicht die Lust am Leben nehmen zu lassen. Det, von Beruf Schneider, wird von den Marktfrauen für anfallende Näharbeiten mit Lebensmitteln bezahlt. Cioma wiederum erregt wegen seiner zeichnerischen Begabung die Aufmerksamkeit des Anwalts Franz Heinrich Kaufmann (Marc Limpach). Der konservative Christ, Mitglied der Bekenntnisgemeinde Dahlem, braucht dringend gefälschte Kennkarten, Essensmarken, Ausweise für rassisch Verfolgte.

Cioma lässt sich trotz widriger Umstände seinen Lebensmut nicht nehmen.
Cioma lässt sich trotz widriger Umstände seinen Lebensmut nicht nehmen. © Dreifilm/ZDF/Arte | Christian Stangassinger

„Der Passfälscher“: Tarnung mit Nazi-Phrasen

Cioma findet Gefallen daran, neue Identitäten zu schaffen, und auf der Suche nach Spaß wird er immer wagemutiger. Det organisiert über einen Kleiderfundus Marineuniformen, und so besuchen die Freunde einen Tanzabend für Offiziere, lassen es sich bei Champagner gut gehen und treiben ihre Mimikry durch einschlägige NS-Phrasen auf die Spitze. Als Cioma später in eine Ausweiskontrolle zu geraten droht, kanzelt er zwei Gestapo-Schergen im Herrenton ab, sodass die sich davonschleichen wie geprügelte Hunde.

Maggie Peren erzählt die Geschichte des Passfälschers auf einer ersten Ebene im Stil eines heiteren Schelmenabenteuers, fast einer Köpenickiade. Doch das wird zusehends überlagert von dem allgegenwärtigen Antisemitismus, dessen Schrecken Peren allein atmosphärisch heraufbeschwört, ohne explizite Bilder des Grauens und der Gewalt. Es kommt der Tag, an dem Cioma die immer größer werdenden Pannen und Probleme nicht mehr einfach weglächeln kann. Jetzt braucht er selbst einen falschen Pass. Und da erhält er Hilfe von jemandem, von dem er es am allerwenigsten erwartet hätte.

Vier von fünf Sternen.