Berlin. Die Liberalen verstehen Regierungsarbeit derzeit besonders als: irgendwie dagegen sein. Bei „Markus Lanz“ gab‘s dafür kräftig Schelte.
Es ist Superwahljahr in Deutschland, und die Liberalen von Christian Lindner ringen trotz – oder weil, je nachdem, wen man fragt – Regierungsbeteiligung um Relevanz. Oder das politische Überleben, schaut man sich etwa die jüngsten Umfragen zur Europawahl an. Gerade mal drei Prozent der Befragten würden das Kreuz bei der FDP machen.
„Splittergruppe“, kommentierte Markus Lanz das Ergebnis in seiner Dienstagssendung. „Da ist man ja im Bereich Club bibeltreuer Christen“, durfte sich FDP-Bundestagsabgeordnete Linda Teuteberg anhören. Die Ex-Generalsekretärin war eingeladen, das Nein der Liberalen zur EU-Lieferkettenrichtlinie zu erklären. Sie hatte keinen leichten Stand.
Teuteberg zog erst mal Bilanz aus dem verheerenden Ergebnis bei der Teil-Wahlwiederholung in Berlin: einen Sitz verloren, fast sechs Prozentpunkte weniger als noch 2021. „Bitter, nicht schönzureden“, es gelte jetzt – intern – die Konsequenzen zu besprechen und „natürlich liberales Profil zu zeigen“.
Das besteht derzeit vor allem aus: dagegen sein, im Bund, in der EU. Verbrenner-Aus? Nur mit E-Fuels. Lieferkettenrichtlinie? Nicht mit den Liberalen und vielleicht das deutsche Gesetz noch mal überarbeiten. Demokratiefördergesetz? Nicht in dieser Form, ohnehin kein Geld dafür da.
Dennoch, die Lieferkettenrichtlinie zu stoppen, für Teuteberg „genau richtig“, man könne nicht gleichzeitig von Bürokratieabbau sprechen und dann in Brüssel mehr Bürokratie schaffen. Umstritten sei das, ja, aber eine Debatte, die man führen müsse.
Moderator Lanz wollte vor diesem Hintergrund aus der Bundestagsabgeordneten herauskitzeln, ob die FDP in der Regierung bleibt, blitzte bei Teuteberg aber mehrmals ab. Die wollte sich partout nicht festlegen, ob es nun eine Debatte über das Ampel-Aus in der Partei gibt („Es gibt keine Revolution“) oder wie sie selbst dazu steht.
Lanz bohrt nach, Teuteberg – und mit ihr die FDP – müssten doch mal sagen, „wofür sie stehen“, Regierungsarbeit ja oder nein, aber es bleibt dabei. „Ich stehe dafür, dass wir die richtigen Inhalte umsetzen.“
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„FDP in der Todeszone“
Nichts zu machen also, Lanz gibt ab an die „taz“-Wirtschaftexpertin Ulrike Herrmann. „Was ist Ihre Analyse?“ Die hielt mit ihrer Meinung nicht lange zurück: „Die FDP ist in der absoluten Todeszone.“ Mehr als die Hälfte der Stimmen habe die Partei verloren; wenn das der Bundestrend sei, dann würden liberale Wähler lieber CDU wählen. „Das bringt ja nichts, wenn die FDP nicht im Bundestag ist.“
Teutebergs Analyse, die Partei müsse sichtbarer werden, „Profil zeigen“, ist für Herrmann das eigentliche Problem der FDP. „Permanent gestört, Opposition in der Regierung gemacht“, im Ergebnis alle Wahlen verloren, weil: Die Bürger erwarteten von einer Regierungspartei, „dass sie regiert“. Was sie nicht erwarteten: „eine Partei, die einen Beschluss fasst und am nächsten Tag sagt, da war ich auch noch nie dafür“.
„Was Sie da machen, geht gar nicht“
Lanz macht von der anderen Seite weiter: Die FDP wolle doch verlässlich sein, jetzt die Blockade der Lieferkettenrichtlinie. Deutschland werde nicht mehr als verlässlicher Partner wahrgenommen. „Was soll man davon halten?“
Die länglichen Erklärungen Teutebergs für das Hin-und-her laufen am Ende darauf hinaus: Der EU-Kompromiss sei schlecht für die deutsche Wirtschaft, den Mittelstand, zu viel Bürokratie, und ob die Menschenrechte geschützt würden, wenn sich deutsche Unternehmen zurückzögen, sei fraglich. „Das fällt Ihnen alles auf, nachdem es besprochen ist“, wirft Lanz ein und gibt fürs Kreuzverhör wieder ab an Herrmann.
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Die legt direkt und sichtlich genervt los: „Das, was Sie da machen in der EU, geht gar nicht.“ Verhandlungen mit den EU-Partnern waren abgeschlossen, Mehrheiten organisiert, „und dann kommt die FDP aus Deutschland und stoppt den ganzen europäischen Prozess, der eigentlich schon am Ende war“.
Ihr knallharter Befund: Die FDP „vernichtet die europäischen Mechanismen“, und das nur für Sichtbarkeit, mit Blick auf die Europawahlen. Andere wichtige Industrieländer in Europa, Frankreich, Italien, hätten kein Problem gehabt. „Aber dann kommt die FDP und entdeckt ein Problem.“
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US-Unternehmer sieht kulturelle Debatte
Problemorientiertes Denken, statt Lösungen aufzuzeigen: Intel-Vorstand Christoph Schell sieht hier eine kulturell geprägte Debatte. „Wenn ein Mittelständler es schafft, seine Lieferkette zu prüfen, dann hat er einen Wettbewerbsvorteil“, sagt der in den USA lebende Unternehmer.
Das Problem, das die FDP sehe – die EU-Lieferkettenrichtlinie erschwere es dem Mittelstand, Geschäfte zu machen –, sei eigentlich eine Möglichkeit. In den USA werde indessen nicht über Probleme gesprochen, sondern über „Opportunities“.
Man fühlt sich beim Zuhören etwas an das Bonmot eines sehr jungen Christian Lindner erinnert: „Probleme sind nur dornige Chancen.“