Essen. Das Filmdrama „Berlin Alexanderplatz“ von Regisseur Burhan Qurbani wird den gewaltigen Vorgängern gerecht – ein Bootsflüchtling als „Biberkopf“
„Dies ist die Geschichte von Francis B.“, kommentiert eine Off-Stimme, „von meinem Francis. Ihr werdet sehen, wie Francis nach Berlin kommt, wie er dreimal strauchelt und fällt, wie er immer wieder aufsteht und schließlich endgültig an dieser Stadt zerbricht.“ Francis B. ist eine schmerzhaft zeitgemäße Version von Franz Biberkopf aus Alfred Döblins 1929 erschienenem Jahrhundertroman „Berlin Alexanderplatz“ – zu sehen am Dienstag, 15. August, um 22.45 Uhr im ZDF.
Regisseur und (mit Martin Behnke) Drehbuchautor Burhan Qurbani ist mit seiner freien und doch respektvollen Döblin-Bearbeitung kein geringes Risiko eingegangen. Die Fußstapfen, in die er mit seinem Filmdrama von 2020 tritt, sind gewaltig. Phil Jutzis erste Verfilmung von 1932, die den großen Heinrich George als Franz durch das Berlin der späten 20er Jahre taumeln ließ, wird heute kaum noch einmal gezeigt, ist vielleicht wenig bekannt. Doch die überragende vierzehnteilige Fernsehserie von Rainer Werner Fassbinder aus den frühen 80ern (mit Günter Lamprecht) ist unvergessen, geradezu legendär.
Qurbani bewältigt die sich selbst gestellte Herausforderung mit Bravour. Der tragische Antiheld, der jetzt auf Biberkopfs Spuren durch die moderne, mit ihren Verlockungen, Exzessen und Abgründen dem Berlin der 1920er nicht ganz unähnliche Metropole treibt, ist ein afrikanischer Flüchtling, und der hat heute ungefähr so viele Chancen und Möglichkeiten wie vor 100 Jahren der entlassene Sträfling Biberkopf.
„Berlin Alexanderplatz“: Der einzige Überlebende
Francis B. (der guinea-bissauisch-portugiesische Schauspieler Welket Bungué in seinem ersten deutschsprachigen Film) hat als einziger eine Bootsflucht aus Afrika überlebt. Aus Dankbarkeit schwört er Gott, künftig ein neuer, besserer, ein anständiger Mensch zu sein. Doch wie schafft man das als illegaler Flüchtling ohne Papiere und Arbeitserlaubnis?
Francis schlägt sich als Schwarzarbeiter auf einer Baustelle am Alexanderplatz durch, doch als er nach einem Arbeitsunfall einem verletzten Illegalen hilft und so die Aufmerksamkeit des Zolls auf das Unternehmen lenkt, wird er gefeuert. Zuflucht findet er bei dem Kleinkriminellen Reinhold (Albrecht Schuch wurde dafür mit dem Deutschen Filmpreis 2020 für die beste Nebenrolle ausgezeichnet), der ihm schnelles Geld durch Drogendealen verheißt.
Jella Haase wunderbar als Callgirl Mieze
Zwischen dem Flüchtling und dem charismatischen Reinhold, dessen psychopathische Züge Francis nicht sehen und eingestehen will, entwickelt sich eine enge, aber auch zerstörerische Freundschaft. Francis, inzwischen in Franz umgetauft, gerät immer mehr auf die schiefe Bahn. Als er nach einem missglückten Raubüberfall seinen linken Arm verliert, steigt er wieder aus, lernt das Callgirl Mieze (wunderbar: Jella Haase) kennen. Doch auch der Versuch, mit Mieze nun endgültig ein anständiges Leben zu führen, scheitert. Franz erliegt erneut der Verführungskunst Reinholds. Erst als dieser Mieze tötet und Franz fast in den Wahnsinn treibt, erkennt dieser, was er alles falsch gemacht hat. Und handelt endlich, getreu der Romanvorlage, konsequent.
Bewertung: Fünf von fünf Sternen