Berlin. Russland-Aufstand, Gedächtnis-Lücken und Ampel-Streit: Bundeskanzler Olaf Scholz (SDP) war am Mittwoch zu Gast bei Sandra Maischberger.
- Sandra Maischberger diskutiert mit ihren Gästen regelmäßig über die wichtigsten Themen der Vorwoche
- Am Mittwoch (28. Juni) begrüßt Maischberger jedoch nur einen einzigen Gast – Bundeskanzler Olaf Scholz
- Neben Klimaschutz und Migration standen Themen wie die Revolte in Russland, der Ukraine-Krieg und die AfD auf der Agenda
Eine Stunde lang löcherte Moderatorin Sandra Maischberger Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) am Mittwoch in ihrer ARD-Sendung „Maischberger“. Das waren seine wichtigsten Aussagen – ein Überblick der sieben zentralen Themen.
1. Früher war Scholz der Meinung, die NATO sei ein „aggressiv-imperialistischer Verein“
Maischberger startete die Sendung mit einem historischen schwarz-weißen Foto von 1983, das Olaf Scholz mit Lockenschopf und Brille bei einer Demonstration gegen die Stationierung von Mittelstrecken-Raketen in Deutschland zeigte. Dazu erklärte er: „Ich habe mit der Jugendorganisation der SPD und anderen zusammen Kundgebungen organisiert und dagegen“ – kurze Pause – „demonstriert“.
Dann grinste er, wie Scholz immer grinst. Seine Knie wippten einmal. Seine Hände hielt er zu dem Zeitpunkt noch fest in seinem Schoß zusammen. Später gestikulierte er mehr. Maischberger sprach ihn darauf an, dass er damals gesagt habe, die NATO sei „ein aggressiv-imperialistischer Verein“. Ob er sich sehr geirrt habe mit Blick von heute?
„Ja, ich bin ja Kanzler eines Nato-Mitgliedsstaates“, antwortete Scholz. „Und ich bin sehr froh, dass wir in dem transatlantischen Bündnis eng zusammenarbeiten. Das ist für unsere Sicherheit wichtig und wir wissen, das ist gerade in der letzten Zeit noch wichtiger geworden“, sagte er mit Blick auf Russland und den Krieg in der Ukraine – und sein Lächeln verschwand erst einmal.
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2. BND wusste vorab nicht über Aufstand in Russland Bescheid
Mit Blick auf den Wagner-Söldner-Aufstand in Russland fragte Maischberger, ob Scholz am Freitagabend zu spät vom Bundesnachrichtendienst informiert worden sei. Der Kanzler lenkte erst einmal ab: „Na, wer auf alle Fälle zu spät informiert worden ist, und zwar von seinen eigenen Nachrichtendiensten, ist der russische Präsident…“ Maischberger unterbrach: „Netter Ablenkungsversuch.“ Dann räumte der Kanzler ein, dass der BND von dem Aufstand überrascht worden sei.
Die Dienste in Deutschland „haben das natürlich nicht vorher gewusst – jedenfalls nach allem, was wir heute sehen können, dass das jetzt geschieht. Aber sie haben uns dann auch immer weiter berichtet, was zu beobachten ist.“ Nachdem Kritik laut geworden war, dass die US-Geheimdienste laut Medienberichten offenbar schon mehrere Tage vorher von den Wagner-Plänen gewusst haben, kündigte Scholz an: „Das werden wir alles gemeinsam zu besprechen haben – auch was der Fall ist von den Dingen, die jetzt spekuliert werden.“ Wichtig sei ihm, „dass wir immer versuchen, so viele Informationen zu sammeln wie möglich, weil das ja bedrohlich eskalieren kann.“
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3. Scholz hält Putin nach Söldneraufstand für geschwächt
Scholz ist der Meinung, dass der abgebrochene Aufstand der Söldnertruppe Wagner den russischen Präsidenten Wladimir Putin geschwächt habe. „Auf alle Fälle wird das sicherlich langfristig auch Auswirkungen haben in Russland“, sagte er. Der Aufstand zeige, „dass die autokratischen Strukturen, die Machtstrukturen Risse haben, und er keineswegs so fest im Sattel sitzt, wie er immer wieder überall behauptet“, sagte er über den Kreml-Chef.
Wie lange Putin noch im Amt bleiben werde, darüber wollte er nicht spekulieren. „Das kann lang sein oder auch kurz. Das wissen wir nicht.“ Ob er sich einen Sturz Putins gewünscht hätte, vermochte er auch nicht beantworten.
„Wir wissen ja nicht, ob nach Putin noch jemand kommt, der besser oder schlechter ist“, sagte er. Ob der Weg zu einem Frieden durch die Ereignisse in Russland vom Wochenende leichter oder schwerer wird, vermochte Scholz auch nicht sicher zu sagen. Voraussetzung für Verhandlungen sei weiterhin, „dass Russland akzeptiert, dass es Truppen zurückziehen muss, denn alles andere wäre ja die Legitimierung dessen, was bisher stattgefunden hat“, so Scholz.
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4. Scholz vollendete Sätze zum Abhören der letzten Generation und seine Gedächtnislücken
Im Laufe des Interviews begann Maischberger mehrmals mit einem kurzen Satz, den Scholz vollenden sollte. Dazu gehörten unter anderem:
- „Dass Gespräche zwischen der Letzten Generation und Journalisten abgehört wurden“, begann Maischberger und Scholz antwortete: „werden diejenigen, die das entschieden haben, sicherlich rechtlich sorgfältig erwogen haben.“
- Dass die Bahngewerkschaft in der Urlaubszeit zum Streik aufrufen könnte, wollte Scholz erst nicht kommentieren. Als Bahnnutzer sagte er: „Ich wünsche mir, dass die Tarifparteien eine Verständigung finden und es dadurch nicht passiert.“
- Bei der Wahl zwischen Friedrich Merz und Hendrik Wüst als möglichen CDU-Herausforderer, sagte er, es sei ihm „ganz egal“.
- „Ein Kanzler mit Gedächtnislücken ist…“, begann Maischberger und Scholz antwortete: „unvermeidbar. Alle haben welche. Ich kenne keinen Menschen, der keine hat.“ Und wieder grinste er, wie Scholz immer grinst, mit zusammengekniffenen Augen und geschlossenem Mund. Maischberger: „Hätten Sie gerne einen Kanzler mit Gedächtnislücken in wichtigen Fragen?“ Und der Kanzler entgegnete: „In Fragen, die ganz wichtig sind, sollte man das alles zusammenhalten, insbesondere seine eigenen Entscheidungen kennen.“
5. Scholz räumt Mängel an Erscheinungsbild der Koalition ein
Kritisch äußerte sich Scholz über das Erscheinungsbild der von ihm geführten Koalition. Maischberger zitierte zu Anfang seine Parteivorsitzende Saskia Esken (SPD), die kürzlich kritisiert hatte: „Die Ampel hat ihre Politik in letzter Zeit zu wenig erklärt, nicht gut organisiert, zum Beispiel beim Heizungsgesetz“ – und Maischberger sagte deutlich zu Scholz: „Das ist Ihre Verantwortung. Sie sind derjenige, der kommuniziert, der organisiert. Sie haben den Streit langelaufen lassen anstatt, dass Sie da mal ein bisschen Ordnung reinbringen.“
Seine Antwort: „Ich bringe ständig Ordnung in alle möglichen Streitereien.“ Aber er stimme zu, dass der Eindruck von Uneinigkeit entstehe und das nicht gut sei. Vor allem die lange Debatte über das Heizungsgesetz habe den Eindruck der Zerstrittenheit entstehen lassen, sagte Scholz und gab Maischberger recht, „dass – wenn so ein Streit so lange öffentlich ausgetragen wird, das keinen guten Eindruck macht.“
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6. Scholz glaubt nicht, dass Ampel-Streit zum Erstarken der AfD beigetragen hat
In der Ampel-Koalition sei es so, „dass wir manchmal sehr lange laut allen mitteilen, wie worüber diskutiert wird“, sagte der Kanzler. Dass die Koalition mit dieser Debatte laut Vorwurf der Union zum Erstarken der AfD beigetragen habe, wies er allerdings deutlich zurück. Wer dies behaupte, mache das Thema „doch ein bisschen sehr, sehr leicht.“ Scholz betonte, dass es auch in Ländern wie Dänemark und Norwegen „rechtspopulistische Schlechte-Laune-Parteien“ gebe. Erst kürzlich hatte Scholz bei einer Veranstaltung in Hamburg die AfD als „Schlechte-Laune-Partei“ bezeichnet. Im südthüringischen Kreis Sonneberg war am Sonntag erstmals in Deutschland ein AfD-Kandidat zum Landrat gewählt worden.
Auch Kritik an seinem Kommunikationsstil wies er zurück: „Ich bin wahrscheinlich der Regierungschef in Deutschland, der am meisten kommuniziert.“ In diesen Zeiten müsste vieles oft gesagt werden, „weil sich so viele Dinge ändern“.
7. Scholz war für einen höheren Mindestlohn, verteidigt aber Entscheidung
„Ich hätte mir persönlich eine bessere Erhöhung vorstellen können“, sagte Scholz mit Blick auf die Entscheidung der Mindestlohnkommission vom vergangenen Montag, den Mindestlohn ab 2024 auf 12,41 Euro zu erhöhen und ab 2025 dann auf 12,82 Euro.
Im vergangenen Jahr habe er sich selbst für die „massive Erhöhung“ des Mindestlohns auf zwölf Euro pro Stunde eingesetzt. Dennoch verteidigte er die Entscheidung, weil das Verfahren es nun einmal vorsehe, dass die Kommission für die Empfehlung zuständig sei. Dazu, dass diese Entscheidung erstmals nicht im Konsens zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern gefallen ist, sagte er: „Es ist ein guter Rat, sich zu einigen und es möglichst im Konsens zu tun.“
8. Scholz will seine Inflationsprämie von 3000 Euro für gute Zwecke verwenden
Auf Nachfrage kündigte er außerdem an, dass er seine Inflationsprämie von 3000 Euro „für gute Zwecke“ verwenden wolle und sich dafür noch etwas überlegen werde. Er persönlich brauche die Prämie nicht. Hintergrund ist der Tarifabschluss für den Öffentlichen Dienst, der einen Inflationsausgleich von 3000 Euro für Beschäftigte vorsieht, was auch für Regierungsmitglieder gilt. Das Gesetz zur Übertragung des Tarifabschlusses muss aber erst noch beschlossen werden.