Essen. Eine dreiteilige Doku auf Arte belegt erschreckend schlüssig: Wer sich gegen den russischen Präsidenten stellt, wird ein Opfer von „Putins Gift“.

Die verschiedenen Blaulichteinsätze, jeweils am Beginn der dreiteiligen Dokumentation „Putins Gift“ eingespielt, wirken wie verpasste Alarmsignale. Wer diese Breaking News aus London sah, hatte schon damals geahnt, dass nur der russische Staat hinter den spektakulären Vergiftungsattacken auf Alexander Litwinenko (2006), Sergej Skripal (2018) oder Alexej Nawalny (2020) stecken konnte. Sowohl die Art des Giftes wie auch das kaltschnäuzige Vorgehen der Mörder ließen keine andere Interpretation zu. Nur die eindeutigen Beweise fehlten, was in einem Rechtsstaat wie Großbritannien immer noch entscheidend ist.

Aber die Botschaft schien doch unmissverständlich: Wer sich gegen Wladimir Putin positioniert, wird ermordet. Egal, ob es ein ehemaliger Geheimdienstler war, der auspackte. Oder ein populärer Oppositioneller, der Staatskorruption und Kleptokratie anging. Neu an diesen Giftanschlägen war höchstens, dass nun offenbar russische Killerkommandos auf dem Hoheitsgebiet eines westlichen Staates aktiv geworden waren – ähnlich James Bond, mit der Lizenz zum Töten und im Auftrag oder zumindest mit dem Plazet ihres Präsidenten.

„Putins Gift“: Spionage-Themenabend beim Sender Arte

Hätten wir es nicht nur ahnen, sondern auch wissen können? Die aktuelle Doku (Dienstag, 16. Mai 2023, 20.15 Uhr, Arte), mit der Arte heute seinen „Spionage“-Themenabend füllt, bringt ebenfalls keine neuen Beweise. Dafür befragte Jennifer Deschamps viele gut informierte Beobachter, die entweder mit den Recherchen zu den Attentaten betraut waren oder enge persönliche Beziehungen zu den Opfern hatten. Maria Litwinenko zum Beispiel kämpft schon seit 15 Jahren darum, dass die britischen Behörden den Mord an ihrem Mann als Putins Werk verfolgen. Deshalb hatte sie 2015 – als zuständige Ministerin – sogar Theresa May verklagt.

Auch Wladimir Kara-Mursa, Menschenrechtler und enger Mitarbeiter des 2015 hinterrücks erschossenen Oppositionellen Boris Nemzow, erkennt nach drei auf ihn versuchten Giftanschlägen Putins Visitenkarte: „Unterdrückung nach innen und Aggression nach außen sind zwei Seiten der gleichen Medaille.“

Es sind die Methoden, die Putin beim russischen Geheimdienst lernte

Chronologisch und mit vielen Details erzählt und mit Ereignissen der politischen Großwetterlage verknüpft, belegt die Doku deshalb sehr schlüssig die sehr möglichen Motive für die Morde. Es sind zumindest die gleichen Methoden, die Wladimir Putin beim russischen Geheimdienst FSB lernte und mit denen er seit 20 Jahren einen „verdeckten Kalten Krieg gegen den Westen führt“.

In seiner Analyse wirft der Film deshalb vor allem westlichen Politikern Versagen vor: Sie hätten entschieden, über Putins immer aggressiveren Verletzungen diplomatischer Usancen oder völkerrechtlicher Abkommen hinwegzusehen – zugunsten von Geldgeschäften und Energielieferungen. Statt Grenzen aufzuzeigen, versuchte jede neu gewählte Regierung, die Beziehungen zu verbessern. Der Angriffskrieg auf die Ukraine ist – in Putins Logik – deshalb nur ein weiterer Spielzug, durch den er die russische Überlegenheit gegenüber dem schwächlichen Westen begründen will.

Wertung: 5 von 5 Sterne