Essen. Im Rostocker Polizeiruf „Daniel A.“ spielen klassische Krimi-Aspekte kaum eine Rolle – Ein Ausnahmefilm mit viel mehr als nur immenser Spannung

Auf dem Weg zum Parkplatz stellt Grundschullehrerin Nathalie Gerber genervt fest, dass sie nach wie vor gestalkt wird. Sie stellt Marc Wiegand (Max Krause), einen ehemaligen Jugendfreund, zur Rede, droht mit der Polizei. Es kommt zum Streit, Wiegand stößt sie zurück, die junge Frau stürzt folgenschwer. Unfall, Körperverletzung mit Todesfolge oder, im schlimmsten Falle, Totschlag?

Rostocker Polizeiruf 110: Erschütternd emotional

So oder so – die Ausgangslage ist klar. Scheint es zu sein. Denn der Rostock-Polizeiruf 110„Daniel A.“ nach einem beklemmend intensiven Drehbuch von Benjamin Hessler ist einer jener Ausnahmefilme, in denen klassische Krimi-Aspekte kaum eine Rolle spielen (Sonntag, 19. Februar, ARD, 20.15 Uhr). Wenn man sich der immensen Spannung, der erschütternden Emotionalität und der Tragödie eines Mensch-Seins nicht verschließen kann, dann aus anderen Gründen.

Nathalie Gerber hatte sich in der Alternativ-Kneipe „Knockout“ mit ihrem Online-Date „Daniel A.“ verabredet. Nach dem wird nun zunächst gesucht. Der junge Mann, der nach der Verabschiedung vor dem Lokal die Ereignisse auf dem Parkplatz wahrgenommen und den Stalker gesehen hat, könnte der Polizei problemlos Hinweise liefern, aber: er kann es einfach nicht. Denn für den Vater Frank Adamek (Jörg Witte) und die jüngere Schwester ist er Daniela, die geliebte Tochter und Schwester. Tatsächlich ist Daniel ist ein Transmann, der sich noch nicht geoutet hat, weil nie die richtige Gelegenheit dafür war, der sich bis dahin für seine Online-Dates die Brüste abschnürt und dessen größte Angst es ist, dass der Vater durch die polizeilichen Ermittlungen davon erfährt.

Nur zwei Menschen wissen Bescheid. Seine große Liebe Hanna (Alina Stiegler), die mit seiner Trans-Identität nicht klar kommt, und der ebenfalls transe Automechaniker Armin (Bernd Hölscher), der rät, sich an die Polizei zu wenden – und zu outen. Daniel ist zerrissen zwischen Verantwortungsgefühl, schlechtem Gewissen und der überwältigenden Angst, Familiengefühle zu verletzen, sich selbst aus der Gemeinschaft auszuschließen.

Man weiß nicht, was man höher bewerten soll: Das Buch, die unglaublich sensible, von diffamierenden Klischeedarstellungen freie Umsetzung durch Regisseur Dustin Loose (der 2015 den „Studenten-Oscar“ erhielt) oder das überwältigende Spiel von Jonathan Perleth, der hier sein großes Fernsehdebüt gibt, der aber auch für die ARD ein Debüt darstellt. Der immer noch weiblich wirkende Darsteller ist selbst ein Transmann, der erst wenige Monate vor Casting und Drehbeginn mit der Einnahme von Testosteron begonnen hatte.

Der richtige Platz im Leben

Angesichts dieser wichtigen, viel zu selten ernsthaft und natürlich angegangenen Gender-Thematik ist das, was sonst noch im Kommissariat Rostock passiert, fast banal. Mit Melly Böwe (Lina Beckmann) aus Bochum, der Halbschwester des ausgeschiedenen Alexander Bukow (Charlie Hübner), erhält Katrin König (Anneke Kim Sarnau) eine neue Kollegin. Nach Anfangsproblemen bilden die beiden ein ideales Team. Viel wichtiger: „Daniel A.“ findet seinen Platz im Leben.

Bewertung: Fünf von fünf Sternen